Es ist schon seltsam: Keiner kann genau sagen, warum einer der erfolgreichsten Politiker Deutschlands in der vollen Blüte seiner Jahre zurücktritt: Kein konkreter Vorwurf wird gegen ihn erhoben, kein Skandal erzwingt seine Resignation, kein Alterslimit verböte das Weiterregieren. Doch am 18. Jänner diesen Jahres erklärte Edmund Stoiber: "Ich werde mein Amt als bayerischer Ministerpräsident zum 30. September 2007 abgeben. Ich werde auf dem CSU-Parteitag auch nicht mehr als CSU-Vorsitzender kandidieren."
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Die Erklärung folgte dramatischen Sitzungen der CSU-Fraktion in Wildbad Kreuth, in denen Stoiber zum Rücktritt gedrängt worden war. Auslöser war die "Affäre Pauli", benannt nach einer aufmüpfigen CSU-Politikerin aus der Provinz, die aussprach, was viele dachten: Die Ära Stoiber müsse nach 14 Jahren zu Ende gehen und die Parteiführung müsse sich verjüngen. Pauli war nur Auslöser einer lange unter den CSU-Granden schwelenden Unzufriedenheit mit dem mächtigen Chef. Die knappe Niederlage bei der Wahl 2002 gegen Gerhard Schröder hatte man Stoiber noch verziehen. Immerhin zog er mit der SPD fast gleich.
Doch mit der zögerlichen Weigerung, 2005 als eine Art "Superminister" in Angelika Merkels Kabinett in Berlin einzuziehen, verscherzte es sich Stoiber mit denen, die bereits das Fell des Bären verteilt hatten. Innenminister Günther Beckstein (64) und Wirtschaftsminister Erwin Huber (61), die sich sein Erbe teilen wollen, hielten schon damals ihre Stunde für gekommen. Nun riet ihnen ihre biologische Uhr, die Pauli-Revolte als letzte Chance zu nutzen und die Überfigur zu stürzen.
Dass Dankbarkeit keine Kategorie in der Politik ist, weiß niemand besser als Stoiber selbst. So hat er einst kräftig nachgeholfen, als die "Amigo-Affäre" Max Streibl aus dem Ministerpräsidentenamt spülte, weil dieser die Freunderlwirtschaft mit einem Flugzeugbauer zu weit getrieben hatte. Um ihn zu beerben, musste Stoiber aber noch Theo Waigel aus dem Rennen werfen.
Auch danach ging Stoiber - Spitzname: "blondes Fallbeil" - nicht immer zart mit Parteifreunden um. Mehrere bayrische Regionalpolitiker wurden in die Wüste geschickt, weil sie ihm unbequem waren, oftmals mit sehr fadenscheinigen Begründungen. Über mangelnde Gegner hatte sich Stoiber nicht zu beklagen.
Als nun im Lauf des Jahres 2006 die Umfragewerte für die CSU dramatisch sanken - von den sagenhaften 60 Prozent, die Stoiber einst hatte, auf unter 40 Prozent -, trat die Sorge um die Landtagswahl 2008 hinzu. Zumal das ForsaMeinungsforschungsinstitut im Jänner 2007 ein verheerendes Stimmungstief für Stoiber und die CSU sah. Das beste jemals von einer deutschen Partei erreichte Wahlergebnis wurde also zu Stoibers Menetekel, zum Ende einer beispiellosen Karriere und erfolgreichen Politiker-Ära.