Zum Hauptinhalt springen

Die AfD hielt den Erdrutsch nicht auf

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".
© privat

Den deutschen Rechtspopulisten ist ihr Wahlschlager "Flüchtlingsflut" abhanden gekommen, das hat sich auch in Nordrhein-Westfalen gezeigt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die SPD erlitt in Nordrhein-Westfalen (NRW) - "Deutschlands roter Herzkammer" - einen Infarkt: Absturz von 39,1 auf 31,2 Prozent. Auch der grüne Koalitionspartner stürzte ab. Hingegen legten CDU und FDP zu. Nun auf die Bundestagswahl am 24. September zu schließen, ist riskant, obschon NRW fast ein Viertel der Wähler stellt. Der Wahlkampf in NRW kreiste nämlich vor allem um Themen, die Länderkompetenz betreffen: Kriminalität, Bildung, Infrastruktur. Das ändert nichts an der Schlappe für den neuen SPD-Chef Martin Schulz. Aber er war auf Landesthemen festgelegt und sprach kaum je die Bundespolitik an, um der Konkurrenz nicht zu verraten, wie er den jetzt beginnenden Bundeswahlkampf führen will. Zudem liegt die CDU in NRW jetzt"nur" 2 Prozentpunkte vor der SPD statt 13 Punkte hinter ihr.

Aufmerksamkeit verdient die rechtspopulistische AfD, die 7,3 Prozent erreichte, also etwas mehr als im Saarland (6,2) und in Schleswig-Holstein (5,9). Ihr kam der Wahlschlager "Flüchtlingsflut" abhanden, der ihr noch 2016 in Sachsen-Anhalt 24,3 und in Baden-Württemberg 15 Prozent gebracht hatte. Seit ihrer Gründung 2013 zog die AfD die von Vorurteilen gegen Asylwerber und Muslime motivierten Wutbürger an, von denen auch Schlüsselpositionen in der Partei gehalten werden.

Weil sich AfD-Gründer Bernd Lucke gegen diesen Rechtsdrall stemmte, stürzte ihn der Parteitag 2015 und ersetzte ihn durch Frauke Petry - doch auch sie scheiterte. Vor zwei Monaten kippte der Parteitag ohne Diskussion ihre Anträge, die AfD müsse den "realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei" einschlagen und sich "von rassistischen, antisemitischen, völkischen und nationalistischen Ideologien" trennen, weil diese Linie bürgerliche Wähler verprellt habe, zumal das Image der Partei "durch maximale Provokationen weniger Repräsentanten geprägt" sei. Zugleich verzichtete Petry auf eine Kandidatur für die Bundestagswahl im Herbst. Parteivize Jörg Meuthen hatte schon davor gedonnert: "Wir wollen weg vom links-rot-grün verseuchten Deutschland. Mit diesen Figuren werden wir keine Koalitionen eingehen." Damit war Petrys Antrag auf dem Parteitag, die AfD "koalitionsfähig" zu machen, erledigt.

Empörung entfachte Thüringens AfD-Chef Björn Höcke im Jänner mit der Verhöhung des Holocaust-Mahnmals in Berlin. Massiven Ärger handelte sich auch der zweite Parteivize Alexander Gauland mit Äußerungen über den dunkelhäutigen deutschen Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng ein. Unermüdlich trommelt er, die AfD müsse "knallharte Opposition" machen. Das magere Ergebnis in NRW jubelte er zur "ausgezeichneten Ausgangslage" für die Bundestagswahl hoch.

In ihrem Wahlprogramm ködert die AfD Protest- und Wutbürger: den "Trend zu Deutschlands Selbstabschaffung stoppen", daher Erhöhung der Geburtenzahl; statt Euro wieder D-Mark; kein Asyl-Familiennachzug. Rechtsruck und "knallharte Opposition" haben die AfD in die Sackgasse geführt. Sie sitzt in 13 von 16 Landtagen, aber in keiner Regierung. Also kann sie nirgends Politik aktiv mitgestalten. Auf die AfD ließe sich Kurt Tucholskys Befund von 1928 über Adolf Hitler anwenden: "Sie ist nur der Lärm, den sie erzeugt."