Er zählte zu den Pionieren der Atomwissenschaft. Er erhielt nie den Nobelpreis, gilt aber als "Vater der Wasserstoffbombe". Sein Zerwürfnis mit seinem früheren Freund Robert Oppenheimer brachte ihm viel Ärger ein. Im Alter von 94 Jahren blickt Edward Teller nun auf sein Leben als Wissenschafter zurück: oft umstritten, aber stets einflussreich.
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"Ganz einfach, man gibt mir die Schuld daran, dass ich erfolgreich an einer schrecklichen Erfindung gearbeitet habe", sagt Teller, dessen Buch "Memoirs: A Twentieth Century Journey in Science and Politics" kürzlich in den USA erschienen ist. Im Gespräch in seinem Büro am National Labor Lawrence Livermore in Kalifornien sieht er keinen Grund, sich für seine Rolle im Kalten Krieg zu entschuldigen.
Wie damals glaubt er auch heute noch, dass die von ihm mitentwickelten Waffen die Welt vor dem Sturz in den Abgrund bewahrten. Er zitiert ein altes Sprichwort der Römer: Willst du Frieden, bereite dich auf den Krieg vor. Frieden werde es geben, "wenn die Macht in den Händen derer ist, die Frieden wollen", so Teller.
Ambivalente Haltung
Zum Thema Oppenheimer äußert er sich ambivalent. Oppenheimer war jener Physiker, unter dessen wissenschaftlicher Leitung im Rahmen des US-Atomenergieprojekts ("Manhattan Project") die Atombombe entwickelt wurde. Nach dem Krieg widersetzte sich Oppenheimer dem von Teller befürworteten Bau einer noch stärkeren Wasserstoffbombe. 1953 wurde daher wegen angeblicher kommunistischer Gesinnung ein Untersuchungsverfahren gegen ihn eingeleitet, in dem Teller gegen ihn aussagte. 1954 verlor Oppenheimer den Zugang zu allen Staatsgeheimnissen und wurde erst 1963 rehabilitiert. Teller galt seit seiner Aussage bei vielen früheren Freunden als Abtrünniger.
Heute räumt Teller ein, dass e falsch gewesen sei, auszusagen. Er habe in der Anhörung ursprünglich zu Gunsten Oppenheimers sprechen wollen, habe aber in letzter Minute erfahren, dass dieser eine Geschichte über einen linksgerichteten Professor namens Haakon Chevalier erfunden und anschließend wieder revidiert habe. Der rufschädigenden Geschichte zufolge sei Chevalier aufgefordert worden, Geheimnisse an die Sowjetunion weiterzugeben. Teller sagt, er sei über den Vorfall bestürzt gewesen und habe Oppenheimer daher keine weiße Weste bescheinigen können.
Teller weist darauf hin, dass er Oppenheimers Loyalität gegenüber den USA weder damals noch jetzt in Frage gestellt habe. Um diese Darstellung zu untermauern, fügte er seinem Buch die Niederschrift seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss hinzu. Oppenheimers Freunde hätten ihn nach seiner Aussage wie einen Aussätzigen behandelt. Dies sei einem zweiten Exil gleichgekommen, sagt Teller, der als Jude von Ungarn nach Deutschland und dann weiter in die USA flüchten musste.
Die Reaktionen auf sein gemeinsam mit der Autorin Judith Shoolery verfasstes Buch reichen von Lob für die detaillierte Beschreibung seiner langen Karriere bis zu vernichtender Kritik seiner Version der Oppenheimer-Affäre. Teller selbst verweist auf einen Stapel von Exemplaren, die seiner Signatur harren. Die Bücher wurden alle von Angestellten von Lawrence Livermore gekauft, dem Labor, das er in den 50er Jahren mitbegründete.
Zu Hause und im Labor vertraut Teller auf ein "Team freundlicher Frauen", die ihm helfen, sein immer noch umfangreiches Arbeitspensum zu bewältigen. Seine Frau Mici, mit der er 66 Jahre verheiratet war, starb 2000. Teller wurde am Dienstag vergangener Woche 94 Jahre alt. Er hört und sieht schlecht, aber sein Geist ist noch scharf, wie auch sein Humor. In Bezug auf den Nobelpreis sagt er: "Es wäre doch weniger wünschenswert, wenn ich den Nobelpreis bekäme und alle fragten, Wofür denn, um Himmelswillen?, als wenn ich ihn nicht erhalte und die Leute fragen: Warum hast du ihn eigentlich nie bekommen?"
Bevor die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden, forderten einige Wissenschafter, eine Bombe zu Demonstrationszwecken zu zünden, um die Japaner zur Kapitulation zu überreden. Teller unterzeichnete die Petition damals nicht, glaubt aber heute, dass es vielleicht besser gewesen wäre, die Bombe im Himmel über Tokio detonieren zu lassen. Möglicherweise hätten so viele Todesopfer vermieden werden können.
Was wäre sonst gewesen?
Den Titel "Vater der Wasserstoffbombe" empfindet er als zweifelhaften Ruhm. Doch an seinem lebenslangen Credo von der Verteidigung durch bessere Waffen hält er fest. "Oft bin ich gefragt worden, ob ich es bedauere, an der Atom- und der Wasserbombe gearbeitet zu haben", schreibt Teller. "Meine Antwort ist nein. Ich bedaure die Todesopfer und die Verletzten zutiefst, die die Atombomben forderten, aber meine beste Erklärung dafür, warum ich die Arbeit an den Waffen nicht bedauere, ist eine Frage: Was, wenn wir das nicht getan hätten?"