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Der Streit um Almförderungen wird für Bauern noch lange nicht gelöst sein.
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Unken. Am Anfang stand ein vielversprechendes Wort, und dieses Wort hieß: Verwaltungsvereinfachung. Durch die Einführung der sogenannten "einheitlichen Betriebsprämie" im Jahr 2005 wollte der damalige Landwirtschaftsminister Josef Pröll die Auszahlung der Agrarförderungen der EU an Österreichs Bauern vereinfachen. Das Gegenteil ist passiert.
Dieser Tage schlägt sich Hans Fuchs, Bauer aus Unken in Salzburg, immer noch mit Förderbescheiden aus den Jahren 2006 und 2009 herum und streitet mit der für die Auszahlung zuständigen Agrarmarkt Austria (AMA), ob er die Förderung zu Recht oder zu Unrecht bezogen hat. Damit ist Fuchs nicht allein. Wie ihm geht es landesweit tausenden Landwirten, die genaue Zahl der Betroffenen kennt vermutlich nicht einmal die AMA selbst. Allein in Tirol soll sich die Summe der Rückforderungen durch die AMA auf 13 Millionen Euro belaufen.
Eine Vereinfachung? Fuchs ist überzeugt, dass die AMA die einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2006 fünf Jahre später von ihm zu Unrecht zurückgefordert hat. Im Jahr 2011 musste er die Förderung zurückzahlen. Knapp 60 Prozent dieser Förderung hat sich Fuchs in diesem Jahr bereits zurückerstritten. Vor kurzem beeinspruchte er den entsprechenden Bescheid, da er überzeugt ist, dass ihm auch die restlichen 40 Prozent zustehen.
"Wir sind über den Tisch gezogen worden", begründet Fuchs seinen Ärger und seinen Einspruch. Im gegenwärtigen Fall geht es um 700 Euro, insgesamt forderte die AMA für die Jahre 2006 bis 2011 mehr als 21.000 Euro von Fuchs zurück. Als die Rückforderungen im Jahr 2011 schlagend wurden, bereitete das Fuchs schlaflose Nächte. Sein Schuldenstand verdoppelte sich praktisch über Nacht. Aus der Sicht von Fuchs, ohne irgendetwas falsch gemacht zu haben.
Komplexe Vereinfachung
Das ist auch der Grund, warum der 62-Jährige auch jetzt noch um die neuerliche Auszahlung der Förderung kämpft und sich mit unzähligen Paragrafen herumschlägt. Fuchs hat nur die Pflichtschule und eine Maurerlehre absolviert, nun muss er sich mit komplexen Förderrichtlinien auseinandersetzen, die auch juristisch geschulte Menschen überfordern würden.
Er begründet seinen Einspruch mit der Einführung der einheitlichen Betriebsprämie, die letztlich auch am Anfang des Almenstreits stand, der die österreichische Landwirtschaft im vergangenen Frühjahr in Aufruhr versetzte und auch heute noch nicht gelöst ist.
Die vermeintliche Verwaltungsvereinfachung, die aufgrund offensichtlicher Halbherzigkeit bei der Umsetzung verunglückt ist und mit dem nächsten EU-Agrarhaushalt auch Geschichte sein wird. Ab 2015 wird die Förderung umgestellt.
"Bürokratische Falle"
Die verunglückte Verwaltungsvereinfachung brachte Österreich auch eine Rückforderung durch die EU-Kommission und dem Ministerium den Ärger der Bauern ein. Diese Anlastung, anfänglich auf bis zu 64 Millionen Euro taxiert, konnte mittlerweile durch Verhandlungen auf 3,6 Millionen Euro verringert werden. In den kommenden Wochen soll der entsprechende Bescheid kommen, heißt es aus dem Ministerium. "Das war eine hinterlistige Bauernfängerei, eine bürokratische Falle", ärgert sich Fuchs.
Dabei war der Grundgedanke der Reform gar nicht einmal schlecht. Zahlreiche unterschiedliche Prämien sollen in der einheitlichen Betriebsprämie zusammengefasst werden. Der Haken an der Sache ist, dass die Umstellung von einer Prämie, die sich an der Zahl der Tiere orientierte, auf eine Prämie, die sich an der Fläche orientiert, schlampig durchgeführt wurde.
Die Bauern erhielten nach der Umstellung zwar die gleiche Summe an Förderungen, aber der Referenzwert änderte sich von der Anzahl der Tiere zur Größe der Betriebsfläche. Das kuriose Ergebnis: Für die gleiche Fläche erhielten sie nun unterschiedlich hohe Förderungen. Basis der Förderung waren Anzahl und Art der Tiere, Referenzwert war aber die Fläche. Damit nahm das Unheil für die Almbauern seinen Lauf.
Was genau ist eine Weide?
Denn vor der Einführung der einheitlichen Betriebsprämie war die Bewirtschaftung der Almen nicht Teil der Förderungen. Da die Almen aber Teil der Betriebsfläche waren, wurden sie plötzlich Teil der Berechnungsgrundlage. Festgestellt wurde die Fläche aber völlig unabhängig von der Umstellung der Förderung. Im Fall von Hans Fuchs wurde etwa jene Fläche aus dem Jahr 2001 herangezogen, die er gemeinsam mit der Bauernkammer festgestellt und der AMA bekanntgegeben hatte.
Im Jahr 2010 wurden die Almflächen von Fuchs von der AMA überprüft und für zu groß befunden, woraufhin die AMA 2011 die Förderungen, die auf Basis der Tiere berechnet wurde, zurückforderte. Dazu kommt, dass eine Flächenfeststellung auf einer Alm immer nur ein Näherungswert ist. Verschiedene Prüfer kommen auf unterschiedliche Ergebnisse.
Das liegt daran, dass es bei AMA-Prüfungen zwangsläufig großen Ermessensspielraum gibt. Es geht um Fragen wie: Ist es Teil der Weide, wenn unter einem einzelnen Baum Gras wächst? Oder ist es eine Weide, wenn zwischen einem Güterweg und dem Wald ein fünf Meter breiter Wiesenstreifen liegt?
In den vergangenen Jahren wurden den Landwirten diese Fragen offenbar zunehmend negativ ausgelegt. Zahlreiche Bauern berichten von sagenhaften Flächenschrumpfungen durch die AMA-Prüfungen. Wann die Frage der Almförderungen nun für die Bauern aber letztgültig geklärt wird, ist nach wie vor völlig offen.
Zumal es durch eine weitere Verwaltungsvereinfachung nun zu einer Verzögerung kommt. Denn ab Jänner sind die neu eingesetzten Bundesverwaltungsgerichte für Berufungen zuständig. Die Frist, in der die Behörde neue Bescheide ausstellen muss, wurde in diesem Zusammenhang von zwei auf vier Monate verlängert.
Hans Fuchs wird also noch länger auf eine Antwort warten müssen. Auch für die jüngste Berufung gegen einen Bescheid aus dem Jahr 2009, die er dieser Tage abschickte. Denn für Fuchs gab es keine Fristverlängerung, er musste seine Berufung unverändert in 14 Tagen fertig haben.