Falls nach Nasser, Sadat und Mubarak bei den nächsten Wahlen wieder ein General ägyptischer Präsident wird, wäre das ein enormer Rückschritt.
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Nach meinem Besuch in Kairo bin ich überzeugt, dass Ägypten den Weg zu ziviler Demokratie finden kann, aber nur, wenn der tolerantere, robustere Staat geschaffen wird, den sich die Revolutionäre vom Tahrir-Platz vorstellten, die Hosni Mubarak stürzten. Falls General Abdel Fattah al-Sisi sich entschließt, bei den Präsidentenwahlen 2014 zu kandidieren, wird er wahrscheinlich gewinnen. Aber das würde Ägyptens politische Entwicklung aufhalten.
Die USA, nach monatelanger verwirrender Stopp/Go-Politik gegenüber Ägypten, beginnen endlich, ihrem langjährigen Verbündeten zu helfen, ins Gleichgewicht zu finden. Sie stellen mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Team zusammen, um Ägyptens Wirtschaft unterstützen und den politischen Übergang zu erleichtern.
Die US-Politik hat es im Lauf des vergangenen Jahres geschafft, fast jeden in Ägypten vor den Kopf zu stoßen. Als zu große Unterstützer von Präsident Mohamed Mursi während seines Jahres an der Macht wurden die USA gesehen. Als das Militär intervenierte, dachten einige Islamisten (fälschlicherweise), dass die USA am blutigen Durchgreifen beteiligt waren. Und dann verärgerten die US-Versuche, das Regime durch das Kürzen der militärischen und wirtschaftlichen Unterstützung zu maßregeln, die Ägypter. Hossam Bahgat, ein führender ägyptischer Menschenrechtsaktivist, sagt richtigerweise, für den Tod hunderter Pro-Mursi-Demonstranten müsse Rechenschaft abgelegt werden. Aber von Ägyptern, nicht von den USA.
"Ägypten geht vor die Hunde, und die USA reagieren darauf mit ihrer üblichen Politik der Krisenbewältigung", klagt der frühere Außenminister Amr Moussa. "Wenn ein Krisenmanagement erforderlich ist, sollte das von uns kommen. Wir wollen hier keine Lose-lose-Situation wie in Syrien oder im Irak." Moussa führt eine 50-köpfige Kommission an, die an einer neuen Verfassung für Ägypten arbeitet. Diese soll im Dezember fertig sein. Für Jänner ist ein Referendum angesetzt, im April folgen Parlamentswahlen und im Juni Präsidentenwahlen.
Aber die neue Verfassung könnte die unerfreuliche Wirkung haben, die Militärherrschaft zu legitimieren, wenn Al-Sisi sich entschließt, als Präsident zu kandidieren und damit in die Fußstapfen von Gamal Abdel Nasser, Anwar Sadat und Mubarak zu treten. "Wir wollen keinen neuen Pharao", sagt Bahgat. Viele Ägypter teilen diese Zurückhaltung gegenüber Militärführern.
Ägyptens politisches Problem ist, dass die säkularen Parteien noch keinen populären Führer als Alternative zu Al-Sisi hervorgebracht haben. "In drei Jahren Revolution hat sich niemand gefunden, der für die Revolution sprechen könnte", sagt Hani Shukrallah, Ex-Chefredakteur von "Al-Ahram Online".
"Ayzeen ne’aish" (frei übersetzt: "Wir wollen nur leben") wurde zur Redensart in Ägypten. Aber das ist eine Untertreibung der Sehnsucht nach Wandel, die immer noch offenbar wird, wenn Ägypter über ihre Revolutionen sprechen - erst gegen Mubarak, dann gegen Mursi. Sie wollen leben, ja, aber in Freiheit und Würde wie versprochen.
Übersetzung: Redaktion