Andrej Babis darüber, was ihn mit Stronach eint und von Berlusconi trennt.
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"Wiener Zeitung": Warum gehen Sie in die Politik und genießen nicht einfach Ihren Wohlstand?Andrej Babis: Weil ich glaube, dass dieses Land mit den Parteien, die es jetzt 23 Jahre nach der Revolution regieren, keine Zukunft hat. Und das ist schade. Die Verschuldung steigt wahrscheinlich nirgendwo so schnell in Europa. Ich bin Unternehmer, beschäftige hier etwa 23.000 Leute und bezahle viel Steuern. Und dann gibt es so viel Korruption, das ist inakzeptabel. Es mangelt auch an Infrastruktur, so fehlt zwischen Prag und Wien eine durchgehende Autobahn. All diese Projekte dauern zu lange. Wegen der Korruption, wegen der Inkompetenz.
Und mit Ihrer Gruppierung ANO wird sich das alles ändern?
Aristoteles hat gesagt, Politiker sollen Vorbilder sein, was ihre Moral, ihre Tüchtigkeit und ihre Weisheit anbelangt. Ich glaube, das ist bei uns nicht der Fall. In die Politik gehen wahrscheinlich nur Leute, die im normalen Leben nicht erfolgreich sind.
Was muss Ihrer Ansicht nach in Tschechien am Dringendsten geändert werden?
Wir brauchen ein ordentliches Beamtengesetz. Dann müssen wir über die Immunitätsgesetze nachdenken, und wir brauchen mehr Transparenz, wer mit dem Staat welche Geschäfte macht. Zudem muss die Mehrwertsteuer gesenkt werden.
Warum haben Sie das Medienhaus Mafra, dass die zwei größten Qualitätszeitungen des Landes, nämlich "Dnes" und "Lidove Noviny" herausgibt, gekauft?
Ich habe es noch nicht gekauft, ich habe den Vertrag unterschrieben. Das war eine Möglichkeit, die sich eröffnete. Bei uns vertreten Journalisten oft Interessen von Politikern oder von Unternehmern. Aber ich glaube, Journalisten sollten die Wahrheit schreiben.
Jetzt haben Sie eine Partei gegründet...
...eine Bewegung. Ich bin wie Frank Stronach, aber er lebt in Kanada und ich lebe hier in Tschechien. Ich sage natürlich nicht die gleichen Dinge wie Stronach. Aber es gibt viele Unternehmer, die in die Politik gehen, weil es die Politiker selbst nicht auf die Reihe bringen.
Jetzt gründen Sie also eine Bewegung, kurz darauf sichern Sie sich die größten Qualitätszeitungen. Verstehen Sie, dass da Vergleiche mit Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi auftauchen?
Ich sage Ihnen drei Unterschiede zu Berlusconi: Er hat, das habe ich in Zeitungen gelesen, gute Kontakte zur Mafia gehabt hat. Ich bekämpfe die Mafia. Er hat Probleme mit der Steuer, ich bezahle hohe Steuern hier, mehrere hundert Millionen Kronen. Und ich bin auch nicht für junge Mädchen zu haben.
Aber es gibt ja eine ganz andere Sorge: Wie weit kann die Presse noch frei agieren, wenn Sie als Vorsitzender einer politischen Partei Zeitungen besitzen?
In den Zeitungen, die ich jetzt kaufen soll, wird sehr kritisch über mich geschrieben.
Und das wird so bleiben?
Natürlich. Ich bin nicht blöd. Wenn ich nur einmal Einfluss auf die Zeitungen nehme, dann zerstöre ich meine Investition. Und die hat mich sehr viel gekostet.
Wie sollte die Politik funktionieren? Wie ein Unternehmen?
Die Politiker sollen ihre Entscheidungen zugunsten des Staates treffen. Als Unternehmer treffe ich auch Entscheidungen zugunsten meines Konzerns. Die Politiker verfolgen hierzulande aber eigene Interessen.
Das Programm von ANO liest sich so, als würden alle anderen Politiker keinen Anstand besitzen. Macht man es sich damit nicht einfach und spielt mit Populismus?
Wieso Populismus? Das ist unsere Erfahrung. Außerdem brauchen wir eine Änderung des Systems, ein Mehrheitswahlrecht. Nur dann kann die Politik agieren. Wenn Sie immer von einem Koalitionspartner abhängig sind, sind Sie ständig erpressbar. Unsere letzte Regierung bestand aus drei Parteien, die ständig in Affären verstrickt waren und Minister ausgewechselt haben. Am Ende haben sie uns die Steuern erhöht, und die Verschuldung ist gigantisch. Man muss Politiker am Ergebnis messen.
Sehen Sie ANO zukünftig in der Opposition oder sind Sie bereit, in eine Regierung einzutreten?
Wir sind neu und müssen Vertrauen gewinnen. Ich glaube, dafür wäre die Oppositionsrolle besser.
Und wenn Ihrer Partei ein Koalitionsangebot überreicht wird, werden Sie es prüfen?
Dann möchte ich für meine Person den Posten des Finanzministers einnehmen. Das ist nämlich die Position, mit der Sie etwas bewirken können, etwa in der Steuerpolitik.
Manche Stimmen warnen, dass ANO nach der Parlamentswahl zusammenbrechen wird, weil eine Idee fehlt, die die Bewegung zusammenhält.
Die Idee ist aber da und sie ist einfach: Wir wollen die aktuellen Politiker ersetzen und einen Wandel zu bringen.
Sie waren während des Kommunismus im Außenhandel tätig und damit in keiner schlechten Position. Denken Sie, dass Ihnen das bei der Wahl schaden könnte?
Tausende andere waren in einer derartigen Position. Das interessiert die Leute nicht. Ich war Mitglied der Kommunistischen Partei, wie 1,7 Millionen andere auch.
Gegen den Vorwurf, dass Sie mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hätten, gehen Sie ja gerichtlich vor.
Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage. Ich selbst wurde verhört, es gab keine Zusammenarbeit. Die aktuellen Parteien in Tschechien haben nichts zu bieten, außer uns anzugreifen. Wenn Sie die Kampagne von der ODS oder auch von anderen Parteien sehen: Sie arbeiten mit Schlagwörtern wie Berlusconi oder wie Oligarch. Das ist lächerlich. Sie selbst sind kompromittiert, in erster Linie die Rechtsparteien.