Nach dem ungeahndeten Foul gegen Brasiliens Topstar Neymar stehen die Schiedsrichter wieder in der Kritik. Ganz gerecht ist das nicht.
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Einem Schiedsrichter geht es heute nicht besser als anderen Berufen, die ihr Geld auf dem Minenfeld der Exekutive, der Rechtsprechung oder auch der Pädagogik verdienen. So wie ein Polizist im Einsatz, ein Staatsanwalt bei Ermittlungen oder ein Lehrer beim Unterrichten heute besonders aufpassen muss, was er sagt oder tut, sieht sich in letzter Zeit (mit Blick auf sich häufende Blindheitsattacken und Fehlpfiffe) auch die Schiedsrichterzunft immer heftigerer Kritik ausgesetzt. Ganz besonders bei dieser WM, wo nun am Wochenende vor allem die Leistung des spanischen Referees Velasco Carballo, der ein brutales Foul an Brasiliens Topstar Neymar - er musste mit einem Wirbelbruch ins Spital eingeliefert werden und wird bis zu sechs Wochen ausfallen - nicht geahndet hatte, Anlass zu wütenden Proteststürmen gab.
Und das nicht nur vonseiten der brasilianischen Fans, sondern auch von Berufskollegen. "Der Fußball bei dieser WM ist viel zu physisch und körperbetont, die Messlatte für gelbe Karten ist viel zu hoch", klagte etwa der frühere Top-Schiedsrichter Urs Maier im deutschen Nachrichten-Magazin "Focus". "Es wird getreten, gehalten, gezerrt und gemeckert - die Grenzen werden auf jedem Gebiet überschritten. Die Referees lassen viel zu viel laufen und greifen kaum in die Brusttasche." Ähnlich äußerte sich auch der deutsche Schiedsrichter-Boss Herbert Fandel:
"Schiedsrichter sollen ein Spiel leiten, und der Fußball muss im Mittelpunkt stehen. Allerdings ist es auch ihre Aufgabe, gewisse Grenzen zu setzen. Wenn man das nicht tut, schadet es dem Fußball eher." Die Statistik gibt den Kritikern recht. Denn dass es allein im Viertelfinale zwischen dem Gastgeberland und Kolumbien 54 Fouls gab, aber nur vier gelbe Karten, gibt zu denken.
Aber sind wirklich nur die Schiedsrichter schuld? Was ist mit der Verantwortung der Spieler und ihrer Trainer? Was ist mit der Fifa? Als erwachsene Menschen müssen sie alle wissen, was sich auf dem Platz gehört und was nicht, schließlich ist die WM ja kein Kindergarten. Das sollte spätestens nach dem Ausritt Juan Zúñigas gegen Neymar jeder Spieler begriffen haben. Anders können die Schiedsrichter ihre Arbeit auch nicht machen, zumal ja niemand etwas davon hat, wenn es in einer Partie pausenlos gelbe Karten und Platzverweise regnet. Das sieht auch die Fifa so. Allein sie hat den Fehler gemacht, anstatt den Kickern und den Trainern in Sachen Fair Play auf die Zehen zu steigen, sich per Ukas an die Referees zu wenden. Das behauptet zumindest die "Bild"-Zeitung. Demnach habe Fifa-Obmann Massimo Busacca den Unparteiischen die Anweisung gegeben, "in den Partien zunächst nur mit Ermahnungen auf Fouls zu reagieren und so lange wie möglich auf gelbe Karten zu verzichten".
Für den Schiedsrichter kann das nur übel ausgehen, weil er es doch nicht jedem recht machen kann. Lässt er etwa zu viel laufen, steigt die Gefahr, dass es zu Fouls und Verletzungen kommt (die angesichts des immer schnelleren Spiels leider übersehen werden). Pfeift er aber bei jeder Gelegenheit ab, leidet der Spielfluss, und er steht trotzdem als Buhmann da. Nein, mit einem Referee möchte man nicht tauschen. Es ist heute schon schwer genug, als Polizist, Richter oder Lehrer nichts falsch zu machen. Aber der Schiedsrichter soll das alles auf einmal sein.