Seit Monaten hat sich die türkische Diplomatie bemüht, in den USA eine Resolution zu verhindern, die die Massaker an den Armeniern vor rund 90 Jahren als Völkermord bezeichnet. Der lobbyistische Wettstreit mit den starken armenischen Verbänden in den USA, die die weltweit stärkste Diaspora-Gemeinschaft der Armenier mit rund einer Million Mitgliedern beherbergen, ist nun verloren gegangen.
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Auch die flehenden Appelle von US-Präsident George W. Bush konnten an der Entscheidung im außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses nichts ändern. Vorgänger Bill Clinton war es im Jahr 2000 noch gelungen, die Klassifizierung als Völkermord zu verhindern.
Die Bush-Regierung wies darauf hin, dass 70 Prozent der Luftversorgung für die im Irak stationierten US-Truppen und ein Drittel ihres Treibstoffbedarfs über die Türkei laufen. Der Nato-Partner dient nicht nur als Basis für das Irak-Engagement, er wäre ebenfalls ein möglicher Aufmarschplatz für ein militärisches Vorgehen gegen den Iran. Auch Israel lässt seine Luftwaffe im türkischen Luftraum üben. Die wütenden Reaktionen aus Ankara deuten aber nun an, dass den US-Interessen in der Region tatsächlich ein herber Rückschlag droht.
Denn außerdem verübelt Ankara den USA, dass sie wenig gegen die Stützpunkte der kurdischen PKK-Rebellen im Nordirak unternehmen. Eingedenk der gespannten Beziehungen übte sich die Bush-Regierung in Sanftmut und meinte lediglich, dass ein militärisches Vorgehen der Türken im Nordirak nicht zu einer langfristigen Lösung führen würde. Angesichts der Völkermord-Resolution könnte die Bereitschaft der Türken aber wachsen, vom lange geübten Säbelrasseln zu Taten überzugehen.
Eine geschichtliche Randnotiz: Als das Osmanische Reich gegen hunderttausende Armenier vorging, waren kurdische Hilfstruppen an der Verfolgung beteiligt.
In den USA hofft man noch, dass es bei den harten Worten aus Ankara bleibt. Dort wird allerdings kolportiert, dass man an einem Maßnahmenkatalog arbeitet, wenn der Beschluss des Ausschusses vom Plenum des Repräsentantenhauses übernommen werden sollte. Und dieses Paket soll eine Schließung des Luftraumes wie auch eine Minimierung des Nato-Engagements, also auch des Afghanistan-Einsatzes, beinhalten. Viel zu tun also für die US-Regierung, um den eigenen Kongress wie auch die Verbündeten in Zaum zu halten. Seite 7