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Die alpine Feel-Good-Kampagne Naturverbundenheit als Inszenierung

Von Wolfgang Sablatnig

Analysen

Wolfgang Schüssel ist ein echter Bergfex. Deshalb hat er seine Partei auch mit einer neuen Idee beglückt, als er 1995 die Spitze der ÖVP übernahm. Im Sommer rief er die Mitglieder des Parteivorstandes irgendwo in den Bergen zusammen. Einer Arbeitssitzung folgte eine mediengerechte Wanderung. Das Kalkül, mit etwas anderen Fotos in der nachrichtenarmen Zeit zu reüssieren, ging aber nur zum Teil auf. Nach drei Jahren ließ die ÖVP die Gewohnheit entschlafen, noch bevor sie wirklich zur Tradition geworden war.


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Dennoch sind die Berge aus der inszenierten Politik nicht wegzudenken. In diesen Tagen besetzt SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer dieses Feld, der mit Radlerhose und rotem T-Shirt in praktisch allen Bundesländern einen Wandertag einlegt.

Auch die ÖVP wird es vor der Wahl noch einmal in die Berge ziehen, sagte der Parteisprecher am Montag. Und mit Schüssel - stilecht mit kariertem Hemd - am frischen Brunnen gibt es bereits ein einschlägiges Plakat. Nicht zu vergessen das schwarze Liederbuch, das in der dritten Auflage vorliegt. Die Liste prominenter Polit-Wanderer und Alpinisten ist damit nicht erschöpft. Heinz Fischer etwa ist passionierter Berg-Fan, auch Jörg Haider war am Klettersteig zu sehen.

Es ist nicht verwunderlich, dass die Berge als Wahlkampfkulisse herhalten müssen. Die beiden größten alpinen Vereine, der Alpenverein und die Naturfreunde, haben gemeinsam fast 470.000 Mitglieder. Insgesamt gehen bis zu 37 Prozent der Österreicher wandern, weiß Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung. Dieser Anteil sei doppelt so hoch wie jener der Läufer.

Auch der Meinungsforscher Peter Hajek sieht die Politiker auf dem richtigen Weg: Die Bewegung in der Natur signalisiere Fitness und Verbundenheit mit der Natur. Und er nennt eine weitere zentrale Botschaft. Die SPÖ wolle wohl zeigen, dass ihre Kritik an der Regierung nicht mit Kritik am Land Österreich verwechselt werden solle. Ein Gedanke, den offenbar auch die ÖVP-Strategen bei ihrer alpinen Feel-Good-Kampagne verfolgen: "Hier gehts uns gut", lautet der Spruch zum sich erfrischenden Bundeskanzler.

Ob sich die Wanderkampagnen unmittelbar in Wählerstimmen niederschlagen, ist allerdings offen. Zumindest das Wohlwollen so mancher Bergfreunde sollte aber zu gewinnen sein, glaubt Bernhard Stummer, Vorsitzender einer der größten Sektionen des Alpenvereins. Stummer ist allerdings in erster Linie von jenen Politikern angesprochen, die aus Überzeugung in die Natur gehen, die Ruhe suchen und den Politiker dabei zumindest zum Teil ablegen. Denn: "Nur weil er irgendwo raufgeht, heißt das noch lange nicht, dass er wirklich naturverbunden ist."

Das Foto vom Gipfelsieg ist jedenfalls fix eingeplant - ob naturverbunden oder nicht. "Die wollen zeigen, wie hoch oben sie sind", so Stummer. Das sei auch in Ordnung - wenn dabei Spitzenleistungen nicht vorgegaukelt würden.