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Die alte Kluft zwischen Ökologie und Wirtschaft

Von AnalyseGeorg Friesenbichler

Europaarchiv

Es ist schon erstaunlich: Der ORF ruft einen Schwerpunkt aus, der deutsche "Spiegel" produziert eine Serie, und schon ist der Klimawandel in aller Munde. Alles nur "hysterischer Aktionismus"? Vor einem solchen warnt der deutsche EU-Industriekommissar Günter Verheugen, der um das "Kronjuwel" der Industrie, die europäischen Autohersteller, bangt.


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Deutschland, in Umweltfragen seit jeher sensibel, gibt wieder einmal den Takt vor, zu dem man mit einigen Tagen Verspätung auch in Österreich mitklopft. So lässt sich der hiesige Umweltminister zum Nachdenken über eine Kfz-Steuer anregen, die sich am CO 2 -Ausstoß orientiert. Beim Flugverkehr ließ er sich von einem Potsdamer Klimaforscher inspirieren, der das Motto "Sylt statt Seychellen" ausgab.

Aber die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nicht nur populistische Gründe, als EU-Ratsvorsitzende den Ausstoß von Schadstoffen bremsen zu wollen. Der jüngste UNO-Bericht zum Klimawandel zeichnet ein erschreckendes, wenn auch umstrittenes Bild von dem Einfluss, den der Mensch auf die Erderwärmung nimmt. In seinem zweiten Teil, der im April veröffentlicht wird, werden die katastrophalen Auswirkungen beschrieben, die schon jetzt zu verzeichnen sind - was jeder anhand der täglich dokumentierten Wetterkapriolen nachvollziehen kann.

Die Warnungen vor solchen Szenarien, oft als "grüne Spinnerei" tituliert, liegen schon lange zurück. Das Kyoto-Protokoll, mit dem die Politik erstmals darauf reagierte, ist immerhin auch schon zehn Jahre alt. Seine ehrgeizigen Ziele wurden nie erfüllt.

Die größte CO 2 -Emittenten, USA und China, werden von dieser Vereinbarung zur Senkung der Treibhausgase ohnehin nicht erfasst. Diese Staaten zeigen auch wenig Ambitionen, ihren Schadstoffausstoß zu senken. Die chinesische Regierung rechnet damit, dass die Emissionen noch bis 2030 ansteigen, erst danach könnten sie gesenkt werden. Eine bisher unter Verschluss gehaltene Studie der US-Regierung rechnet damit, dass der Ausstoß von schädlichen Gasen in den USA zwischen 2002 und 2012 um 11 Prozent wächst.

An dritter Stelle der Kohlendioxid-Produzenten folgten allerdings 2003 laut "World Resources Institute" schon die EU-25. Aus ökologischer Sicht wäre damit eine europäische Vorreiterrolle sinnvoll. Zwar räumen auch Experten ein, dass die Auswirkungen von neuen Maßnahmen erst in drei bis fünf Jahrzehnten spürbar werden. Zumindest könnte aber der schon in Gang befindliche Klimawandel gebremst werden.

Kritiker wie Verheugen verweisen aber auf die internationale Konkurrenz und fürchten um die Wettbewerbsfähigkeit. Da tut sie sich wieder auf, die alte Kluft zwischen Wirtschaft und Umwelt. In diesem Lichte erscheint der Merkel-Vorstoß fast schon mutig - und wenig erfolgversprechend.