Putins KGB- Freunde profitieren. | Die schmutzigen Geschäftspraktiken sind geblieben. | Wien. Mit sauberen Geschäftspraktiken wird in Russland niemand reich. Auch Michail Chodorkowski hat Anfang der wilden 1990er Jahre seinen Reichtum mit mafiaähnlichen Methoden begründet, bis er sich schließlich zum seriösen Geschäftsmann mauserte. Der Ex-Yukos-Chef gab das selbst auch freimütig zu. Allerdings ist der einst reichste Mann Russlands und Kreml-Kritiker der Einzige, der im Gefängnis sitzt.
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Die anderen marktliberalen Oligarchen sind nach dem Einzug des Geheimdienstlers Wladimir Putin in den Kreml entweder ins Ausland geflüchtet - wie Boris Beresowski oder Wladimir Gussinski - oder sie haben sich mit der neuen Machtelite arrangiert. Zum Markenzeichen eines Oleg Deripaska, Wladimir Potanin oder Roman Abramowitsch wurde, dass sie tunlichst jedes politische Statement vermeiden, das auch nur im Entferntesten als Sympathie für die Opposition ausgelegt werden könnte.
Vom Thron gestoßen
Und sie dienen, Chodorkowskis Schicksal vor Augen, brav den Geschäftsinteressen der neuen Machtclique. So musste 2005 Abramowitsch auf Befehl Putins seine Mehrheit am Ölkonzern Sibneft für 13 Milliarden Dollar an den Staatsriesen Gazprom abtreten. Er tat es ohne Widerrede. Ebenso wie sich der Eigentümer des Londoner Fußballclubs Chelsea kürzlich anstandslos dazu bereiterklärte, die befohlenen Milliardeninvestitionen für die Fußball-WM 2018 in Russland zu tätigen.
In Russlands "big business" wurden die alten Oligarchen zu kleinen Fischen. Putin stieß sie vom Thron, den Reichtum des Landes teilen sich nun andere Tycoons auf. Auch sie erpressen, hinterziehen Steuern und leben von der ausufernden Korruption im Land. Gemeinsam ist den Neo-Emporkömmlingen, dass sie ehemalige Freunde aus Putins Heimatstadt St. Petersburg und Geheimdienstkollegen aus früheren Jahren sind.
Ihre Namen sind im Ausland weitgehend unbekannt. Wer kennt schon Igor Setschin, den Vizepremier mit einschlägiger KGB-Vergangenheit, den Putin an die Spitze des Ölkonzerns Rosneft setzte, oder Arkady Rotenberg, Putins Ex-Judo-Lehrer, der seit Beginn von Putins Politkarriere zum mehrfachen Dollar-Milliardär wurde?
Auch in Russland selbst ist die neue Geldelite der Silowiki, wie die Vertreter der Machtorgane wie Geheimdienst, Militär oder Miliz genannt werden, wenigen ein Begriff. In den staatlich kontrollierten Medien werden sie als Garanten der staatlichen Ordnung und als Diener des Volkes hochgelobt. Dass sie mindestens so dreist in die eigene Tasche wirtschaften wie die verhassten Ex-Oligarchen der Jelzin-Ära, erfahren nur die Russen, die sich im Internet kundig machen.
Die wissen dann allerdings auch, dass die rund 30 Staatskorporationen, die Putin als Stütze seines etatistischen Wirtschaftsmodells schaffen ließ, den Apparatschiks lukrative Posten verschaffen sollten. In den Chefetagen des High-Tech-Konglomerats Rostechnologij, des Rüstungskonzerns Rosoboronexport oder des für AKW, Atommüllager und Kernwaffen zuständigen Staatsunternehmens RosAtom sitzt die Creme de la creme der Silowiki-Repräsentanten. Für Arkady Rotenberg schuf Putin 2000, kaum in den Kreml gewählt, RosSpriProm, die Korporation für Spirituosen-Produkte. Mittlerweile hat Rotenberg zudem ein Quasi-Monopol für die Lieferung von Ölrohre an Gazprom und stattet in Kürze Moskaus Straßen mit Verkehrsüberwachungskameras aus.
Offiziell sollen die Staatsholdings die Wirtschaftsbereiche international wettbewerbsfähiger machen. Dass Bürokraten allerdings nicht gerade die besten Manager sind, weiß Putin. Aber darum ging es ihm letztlich nicht. Es ging darum, die Interessen der verschiedenen Kreml-Clans zu bedienen. Das Nachsehen haben die russischen Klein- und Mittelbetriebe, die bei Staatsaufträgen immer öfter durch die Finger schauen.