Die Spitzen der PdL sollen kriminelle Organisation aufgebaut haben. | UNO-Experte kritisiert Berlusconis Mediengesetz. | Wien/Rom. Kaum hat Italiens Premier Silvio Berlusconi seine Eheprobleme überstanden, droht ihm schon wieder ein heißer Sommer. Korruption in seiner Partei, mehrere Rücktritte von Regierungsmitgliedern, der Kampf um ein Sparpaket und ein höchst umstrittenes Mediengesetz, das von der Presse als Knebelungsgesetz bekämpft wird und auch schon bei UNO-Experten auf Kritik gestoßen ist, setzen Silvio Berlusconi schwer unter Druck.
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"Die Pläne der neuen P3" enthüllte die Zeitung "La Repubblica" unter Anspielung auf die Geheimloge Propaganda 2 (P2), die 1982 aufgeflogen ist. In dieser P2 hatten hunderte Vertreter von Politik, Medien, Justiz, Militär, Geheimdiensten und Wirtschaft - auch Berlusconi selbst war Mitglied - die Fäden gezogen.
Jetzt hat die römische Staatsanwaltschaft, die die Korruptionsvorwürfe rund um ein Windkraftwerk auf Sardinien untersucht, gegen 14 Personen Ermittlungen eingeleitet. Sie wirft ihnen vor, eine kriminelle Organisation aufgebaut zu haben, deren Ziel es war, in die öffentlichen Institutionen einzudringen, um politische Beschlüsse, die Wahl bestimmter Persönlichkeiten und Prozesse beeinflussen zu können.
Justiz in Rom ermittelt gegen 14 Personen
Unter den 14 ins Visier der Justiz Geratenen befinden sich unter anderem der langjährige engste Vertraute des Premiers, Senator Marcello DellUtri, der jüngst in zweiter Instanz wegen Kontakten zur sizilianischen Mafia zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war, der Unterstaatssekretär im Wirtschaftsministerium, Nicola Cosentino, dem enge Beziehungen zur neapolitanischen Mafiaorganisation Camorra nachgesagt werden, und Denis Verdini, der Koordinator der Berlusconi-Partei Popolo della Liberta (PdL - Volk der Freiheit), gegen den Ermittlungen wegen Korruption bei Auftragsvergaben rund um den G8-Gipfel im Jahr 2009 laufen.
In der Wohnung Verdinis fand am 23. September des Vorjahres auch ein Treffen zwischen Politikern, Geschäftsleuten und Richtern statt, in dem das umstrittene Gesetz zur Aussetzung von Strafprozessen wegen Staatsaufgaben (Lodo Alfano), das sich Berlusconi von seinem Justizminister Angelino Alfano hatte maßschneidern lassen, zur Debatte stand. Das Gesetz wurde kurz darauf vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.
Mit dabei waren auch einige Unternehmer, die inzwischen festgenommen wurden, allen voran der sardische Geschäftsmann Flavio Carboni, der seit Jahrzehnten immer wieder im Zusammenhang mit den undurchsichtigsten Geschichten genannt wurde und dem Kontakte zur römischen Verbrecherorganisation Banda della Magliana, zur Mafia und zur P2 nachgesagt wurden. Vom Vorwurf des Mordes am Bankier Roberto Calvi, der nach dem Zusammenbruch seiner Banco Ambrosiano am 17. Juni 1982 erhängt unter der Londoner Blackfriars Bridge aufgefunden worden war, war Carboni vor drei Jahren wegen unzureichender Beweise freigesprochen worden.
Der italienische Oppositionspolitiker Antonio di Pietro sprach im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen von einer "neuen Freimaurerloge", die die gleichen Charakteristika wie die seinerzeitige P2 aufweise. Berlusconi bezeichnete das wörtlich als "Staubwolke". Es handle sich bei all dem nur um "vier abgetakelte Pensionisten". Die oppositionelle Demokratische Partei will einen Misstrauensantrag gegen Staatssekretär Cosentino stellen. Berlusconis Noch-Partner Gianfranco Fini kann sich eine Unterstützung dafür vorstellen. Nach den Ministern Claudio Scajola und Aldo Brancher könnte Berlusconi so bald ein weiteres Regierungsmitglied verlieren.
Daneben hat er noch Probleme mit seinem Sparpaket, das Ausgabenkürzungen in der Höhe von 24 Milliarden Euro vorsieht. Darüber wird seit Mittwoch im Parlament debattiert, und alle Regionen sind dagegen, weil die Hauptlast der Kürzungen auf sie entfällt.
Auch das neue Mediengesetz bereitet dem Premier weitere Sorgen. Jetzt hat auch der UNO-Sonderberichterstatter zum Schutz der Meinungsfreiheit, Frank La Rue, zu einer Überarbeitung aufgerufen, was Außenminister Franco Frattini als "Einmischung" zurückwies.