Der Iran streckt die Fühler gen Westen aus - Bundespräsident Fischer trifft iranischen Amtskollegen Rohani.
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New York. Jetzt droht Teheran auch noch mitzuentscheiden, wer der nächste Bürgermeister von New York wird. Das Mullah-Bashing gehört seit Jahren zum Standard-Repertoire von Kandidaten um Amerikas öffentliche Ämter, das Anprangern von tatsächlichen wie erfundenen Missetaten der politischen Führer des Iran macht sich immer gut in Wahlkämpfen und die größte Stadt des Landes bildet dabei keine Ausnahme. Die sich derzeit im Rennen ums Rathaus befindlichen Bill de Blasio (Demokratische Partei) und Joe Lhota (Republikaner) boten diesbezüglich keine Ausnahme, zu verlockend war die Aussicht, mit einer entsprechenden rhetorischen Pflichtübung billigen Applaus zu sammeln, und so trachteten sich der linke und der rechte Kandidat gegenseitig zu überbieten in ihrer Kritik an und ihrer vorgeblichen Abscheu vor dem persischen Beelzebub ("Unmenschlich!" "Furchtbar!" "Nicht akzeptabel!").
Den aufgelegten Anlass bot ihnen das sich alljährlich im Herbst wiederholende Ritual der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die ihr Hauptquartier seit 1952 in New York haben, und nachdem sich an deren erstem Sitzungstag (fast) alles um den Iran drehte, bekamen auch sie ein bisschen vom Rampenlicht ab. Hatte es vor nicht einmal zwei Wochen noch so ausgesehen, als ob Syrien und die Horch-und-Guck-Obsession der USA die Agenda bestimmen würden, warteten die versammelten Repräsentanten der Weltöffentlichkeit indes vor allem anderen auf die Worte und Gesten des Hassan Rohani, des neuen Präsidenten der Islamischen Republik.
Dessen US-Widerpart Barack Obama, sichtlich befreit von der Last, der Welt erklären zu müssen, warum amerikanische Cruise Missiles und Tomahawks die einzig richtige Medizin für die syrische Krankheit darstellen, fügte sich der Dynamik und appellierte an den Neuen, die Beziehungen zwischen beiden Staaten auf eine neue Basis zu stellen. "auf Worte Taten folgen zu lassen". Wie kurz darauf bekannt wurde, war das Weiße Haus sogar so weit gegangen, Rohani zu einem Treffen am Rande der Generalversammlung einzuladen. - Nicht weniger als eine kleine diplomatische Revolution eingedenk der unter dessen Vorgänger, dem politischen Hasardeur und Holocaust-Leugner Mahmoud Ahmadinejad, üblichen Praxis des Nicht-einmal-Ignorierens.
Auch wenn Teheran die Einladung am Ende ausschlug: Der neue Ton, der mit Rohani Einzug gehalten hat, ist nicht zu unterschätzen, wie sich in dessen eigener Rede am späten Dienstagnachmittag zeigte. Mit dem Habitus eines Predigers gab sich Rohani hart in der Sache (pro Urananreicherung/dem Beharren auf das Recht zur Gewinnung von Energie durch Kernkraftwerke), aber konziliant und Hoffnung machend was eine darüber hinaus gehende, sprich militärische Nutzung der Atomkraft angeht. ("Wir streben keine Herstellung von Nuklearwaffen an. Unser Glauben und unsere Politik verbietet uns das.")
Fischer traf auch Kollegen aus Peru und der Türkei
Bei der Entwicklung dessen, was sich da abzeichnet - eine Politik einer ganz, ganz vorsichtigen, aber fühlbaren Annäherung zwischen zwei prinzipiellen Erzfeinden -, durfte, für nicht wenige überraschend, der österreichische Bundespräsident ein wenig mithelfen. Ein bisschen mehr als eine halbe Stunde hatte sich Heinz Fischer Dienstagmittag mit Rohani in Person getroffen und geredet. Dem Höflichkeitsaustausch folgte ein Abtasten der Positionen. Fischer im Anschluss an das Gespräch: "Ich habe einen positiven Gesamteindruck und hoffe, dass dies der erste von vielen kleinen Schritten sein wird, an deren Ende eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der Weltgemeinschaft und dem Iran stehen könnte."
Derlei aufgewertet, nutzte der Bundespräsident - neben Rohani führte Fischer bilaterale Gespräche mit seinen Amtskollegen aus Peru, Kolumbien und der Türkei, dem designierten Premier von Albanien, dem König von Jordanien sowie Pälestinenser-Präsident Mahmoud Abbas - den UN-Kontext unausgesprochen auch insofern erfolgreich, um den erst ein paar Monate zurückliegenden Abzug des österreichischen Blauhelm-Kontingents von den Golan-Höhen vergessen zu machen. Der war offiziell kein Thema, was trotzdem nicht wenige, teilweise hochrangige UNO-Beamte nicht davon abhielt, ihrer anhaltenden Befremdung Luft zu machen. Mittels der Darlegung teilweise erstaunlich detaillierter innenpolitischer Kenntnisse. ("Es hat sich mittlerweile bis New York durchgesprochen, dass Euer Außenminister lieber einen anderen Job hätte. Und Euren Premier haben wir hier erst einmal gesehen. Das erzählt eigentlich alles." Zitat eines anonym bleibend wollenden UNO-Militärberaters.)
Keine Illusion über Kriegspolitik des Iran
Derlei Mumpitz spielt sich freilich ausschließlich auf Nebenschauplätzen und auch dort nur auf Nachfrage ab, dafür gibt es in New York schlicht Wichtigeres zu besprechen. Bei aller spürbaren Euphorie über die neue Gangart Teherans macht sich niemand Illusionen über Irans Kriegspolitik, auf den Schlachtfeldern Syriens stehen nicht umsonst von Iran gesponserte Guerilleros (und Regierungstruppen) von amerikanischen, britischen und französischen Geheimdiensten mit Geld und Waffen versorgten Kämpfern gegenüber.
Und trotzdem: Die Tatsache, dass Rohani die öffentliche Bühne der Generalversammlung nutzt, um nach all den Jahren unter Ahmadinejad die diplomatischen Fühler wieder gen Westen auszustrecken, erzählt eine Geschichte des Wandels; und kommt so auch der Institution Vereinte Nationen als solcher zugute, allem offensichtlichen Eigennutz zum Trotz (Aufhebung der vom UNO-Sicherheitsrat wegen des befürchteten geheim betriebenen Atomwaffenprogramms verhängten Sanktionen, Loswerden des Images eines Pariah-Staats). In den vergangenen Jahren von Kommentatoren vielgescholten für ihre Zahnlosigkeit und ihre bürokratischen Irrwege, sieht es dieser Tage so aus, als gebe es bei aller Kritik keine Alternative zur UNO als einziges globales Forum, das ein Mindestmaß an jener Art von Dialog möglich macht, der später vielleicht einmal den großen Unterschied ausmachen kann.
Den syrischen Bürgerkriegsfraktionen wird es zwar egal sein, wenn die Staatenführer von Costa Rica, Albanien und Gabun (oder Österreich) die Brutalität ihrer Methoden verurteilen; die Killerkommandos von Al-Shabab wird es kaum kümmern, dass die Präsidenten und/oder die Außenminister von Paraguay, der Niederlande und Katar ihre Taten aufs Schärfste verurteilen; und die Probleme des Irak werden auch nicht dadurch gelöst werden, dass Kolumbien, die Türkei und Südkorea die Toten des letzten Terroranschlags bedauern. Doch der Usus begründet die UNO als moralische Instanz. Nicht einmal den New Yorker Lokalpolitikern bot Rohani mit seiner Rede noch eine dankbare Angriffsfläche. Freilich: Anders als heuer werden sich im kommenden Jahr, wenn er wiederkommt, weder Bill de Blasio noch Joe Lhota groß über den iranischen Präsidenten aufregen. Egal, wer von ihnen die Wahl gewinnt. Als New Yorker Bürgermeister ist man auch der Gastgeber der Mitglieder der Vereinten Nationen. Aller Mitglieder.