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Seit Jahren steigt die Teilzeitquote. Das birgt Vor- und Nachteile. Egal, von welchem Blickwinkel.
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Wien. Wir arbeiten immer mehr, aber auch immer weniger, arbeiten kürzer, gehen aber später in Pension, haben den höchsten Beschäftigungsstand in der Zweiten Republik, aber auch die höchste Arbeitslosenquote. Was zuerst widersprüchlich klingt, ist sehr wohl inhärent begründbar. Der Arbeitsmarkt ist unübersichtlicher geworden, und das macht es auch schwieriger, Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.
Ein gutes Beispiel für die Ambivalenz in dieser neuen Arbeitswelt ist die Entwicklung der Teilzeitarbeit. Sie steigt seit Jahren kontinuierlich, vor allem bei den erwerbstätigen Frauen nähert sich der Anteil der 50-Prozent-Marke. Das ist gut und schlecht zugleich. Beide Deutungen sind seriös zu argumentieren.
Das hat unter anderem damit zu tun, dass Teilzeitarbeit sehr viel sein kann. Die geringfügige Beschäftigung zusätzlich zur Pension und das bewusste Reduzieren eines stressigen Jobs aus Gründen der Work-Life-Balance sind ebenso "Teilzeit" wie die Notwendigkeit aufgrund von Betreuungsaufgaben oder weil keine Vollzeitstelle angeboten wird.
Volkswirtschaftlich ist die Interpretation auch nicht so eindeutig. Grundsätzlich ist es aus Sicht der öffentlichen Hand positiv, wenn Menschen arbeiten und entsprechend Abgaben leisten. Auf der anderen Seite zahlen mittlerweile 2,6 von 7 Millionen berufstätigen Personen keine Lohn- und Einkommensteuer mehr, weil sie zu wenig verdienen. Und es ergibt sich ein weiteres Problem. Teilzeitjobs generieren oft ein niedriges Einkommen, sodass bei späterer Arbeitslosigkeit sowie dann in der Pension der Staat in Form von Zuzahlungen aushelfen muss.
Die SPÖ ist mittlerweile dazu übergegangen, vor einer "Teilzeitfalle" zu warnen. Temporär ist sie sinnvoll, auf Dauer birgt sie zu viele Nachteile. Die ÖVP sieht den Trend dagegen deutlich positiver.
Im Regierungsprogramm vereinbart und bereits umgesetzt wurde das Informationsrecht für Teilzeitbeschäftigte, wenn in einem Unternehmen eine Stelle mit einem höheren Arbeitszeitausmaß ausgeschrieben wird. Das war es aber auch schon mit Vorhaben und Zielen für diese Legislaturperiode bei diesem Thema.
Druck auf Haushalte
Die Gründe, warum binnen zwei Jahrzehnten die Teilzeitquote von 14 auf fast 28 Prozent gestiegen ist, sind vielfältig. Weniger arbeiten zu wollen, mag in manchen Kreisen dem Zeitgeist entsprechen, vermutlich bedeutsamer ist aber der größere Druck auf die Haushaltseinkommen durch eine dürftige Reallohnentwicklung.
Es finden sich aber auch Erklärungen auf der Angebotsseite. So hat die Sachgüterproduktion, in der auch heute noch Teilzeitarbeit die Ausnahme ist, gegenüber dem Dienstleistungssektor an Gewicht verloren. In der personalintensiven Handelsbranche haben zudem längere Öffnungszeiten dazu geführt, dass es ohne Teilzeit gar nicht mehr geht. Supermärkte haben bisweilen zwölf Stunden oder länger geöffnet, wodurch sich allein deshalb die Notwendigkeit ergibt, den Arbeitstag zu splitten. Dazu kommen technologische Möglichkeiten, mit denen sich das Arbeitsvolumen präzise und effizient aufteilen lässt, sodass sich keine Stehzeiten ergeben. Die Rewe-Gruppe (Billa, Merkur, Bipa, etc.) kommt auf eine Teilzeitquote von 46 Prozent, wobei mehr als die Hälfte davon 25 Stunden und mehr arbeitet.
Die Flexibilität, die atypische Beschäftigungsformen bringen, nützt zwar Unternehmen, sie kommt aber in Begleitung von Nachteilen. Relativ gesehen kosten Teilzeitkräfte mehr, zudem ergeben sich Nachteile bei der Arbeitsorganisation sowie bei Kundenbeziehungen.
Zu bedenken ist aber, dass gerade im Dienstleistungssektor ein nicht unwesentlicher Teil der Beschäftigten von der Selbständigkeit in den unselbständigen Bereich gewandert ist. Bei kleinen, inhabergeführten Geschäften und Lokalen arbeiten häufig Familienmitglieder mit, doch diese Betriebe werden zunehmend von Filialisten verdrängt.
Auch aus frauenpolitischer Perspektive ist die Frage der Teilzeit ambivalent zu bewerten, was sich übrigens auch an einer geänderten Sichtweise von SPÖ und ÖVP zeigt. Ende der 90er-Jahre hatte die damalige Frauenministerin Barbara Prammer die Ausweitung der Elternteilzeit gefordert, um mehr Frauen in Beschäftigung zu bringen, was von der einstigen ÖVP-Frauensprecherin Maria Rauch-Kallat als kontraproduktiv bewertet wurde.
Teilzeit ist Frauensache
Heute haben sich die Positionen geändert. Während die SPÖ die Nachteile, wie ein geringeres Gehalt sowie schlechtere Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, stärker gewichtet, betont die ÖVP aus frauenpolitischer Sicht den Wunsch nach Flexibilität, der ein "Zwang in die Ganztagsarbeit" entgegenstehen würde.
Die Politikwissenschafterin Alexandra Weiss von der Uni Innsbruck verweist darauf, dass die Entwicklungen der Teilzeit eher zur Verfestigung traditioneller Geschlechterrollen beitragen. "Für Hochqualifizierte stellt es sich auch anders dar als für Geringqualifzierte", sagt Weiss. Wurde vor Jahrzehnten die Teilzeitarbeit noch als erster Schritt in Richtung Unabhängigkeit gewertet, zeigt die heutige Realität, dass diesem Schritt oft kein weiterer gefolgt ist, vor allem eben bei niedrigen Einkommen.
Bei dieser Gruppe sind nach wie vor Abhängigkeiten gegeben, wenn nicht von einem Familienmitglied, dann von staatlicher Seite in Form der Mindestsicherung. In Wien werden rund 90 Prozent dieser Sozialleistung an Personen ausgeschüttet, die entweder eine Arbeit haben oder weniger als 827 Euro aus der Arbeitslosenversicherung erhalten.
Für Hedwig Lutz vom Wifo ist Teilzeit ein Mittelstandsphänomen. "Frauen in einem ärmlichen Umfeld können sich es oft nicht leisten, Teilzeit zu arbeiten. Und die Höchstqualifizierten tun es auch nicht, weil sie das Gefühl haben, etwas zu versäumen." Bei letzteren, Männern wie Frauen, spielt der Gehaltsverzicht oft eine geringere Rolle. Es überwiegt das Mehr an Freizeit. Das betrifft jedoch nur wenige Personen.
Die Frage der Freiwilligkeit lässt sich ebenso nicht eindeutig beantworten. So geben beispielsweise die meisten Frauen Betreuungsaufgaben als Grund für Teilzeit an. Ist das wirklich freiwillig oder doch eine Notwendigkeit? Bei solchen Fragen müssen zudem traditionelle Denkmuster mitbedacht werden. Nach wie vor gilt für Österreich: Kinderbetreuung ist Frauensache.
Eines scheint klar: Der Trend zur Teilzeit wird sich fortschreiben. Aufgabe der Politik könnte sein, zu verhindern, dass sich bestehende Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt nicht noch weiter manifestieren. Zwischen Frauen und Männern einerseits, andererseits aber auch zwischen schlechten Jobs und solchen, bei denen die Reduktion der Arbeitszeit kaum Wohlstandsverlust bringt, sondern vielleicht sogar einen Gewinn durch mehr Freizeit.
Serie: Neue Arbeitswelt