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"Die Amerikaner müssen sparen"

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Banken-Rettung ist für die Realwirtschaft essenziell. | US-Schulden und Handelsbilanz-Defizit könnten zu einem Desaster führen. | Regulierung soll Vergabe gefährlicher Kredite verhindern. | Eric Maskin: Nichts zu tun, wäre ein schwerer Fehler. Es wäre ein äußerst schlechtes Signal für den Finanzsektor, würde sich die Regierung des Problems nicht annehmen. Ob die Banken in der gegenwärtigen Situation gewillt sind, Kredite zu vergeben, hängt nämlich stark von ihrer Einschätzung der Zukunft ab.


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Schon jetzt sind die Geldflüsse im Kreditmarkt eingefroren. Es ist schwer zu sagen, wie das aufgelöst werden könnte, wenn niemand eine aktive Rolle einnimmt. Der Rettungsplan soll genau das erreichen: Zuversicht zurückbringen, dass die Regierung das Finanzsystem erhalten möchte. Deshalb ist er wichtig, ungeachtet der Einzelheiten, über die man diskutieren kann.

Kritiker sind der Meinung, statt den Finanzsektor zu retten, sollte besser in die Realwirtschaft investiert werden.

Der Finanzsektor ist für die Realwirtschaft essenziell: Unternehmen, die investieren, haben dafür in der Regel nicht das nötige Eigenkapital, sondern brauchen Kredite. Wenn der Finanzbereich eingefroren ist, stecken wir fest. 700 Milliarden Dollar sind sehr wenig verglichen mit den Verlusten, die eine tiefe Rezession verursachen würde - was eine realistische Bedrohung ist, wenn jetzt nichts passiert. Zudem sind die 700 Milliarden nicht völlig weggeworfen: Im Moment mögen die Vermögenswerte und faulen Hypotheken nicht viel wert sein, aber wenn die Krise vorbei ist, wird ihr Wert steigen. Das wird oft übersehen.

Über Jahre lautete die neoliberale Devise: Weniger Staat, keine Kontrolle. Jetzt mussten die US-Hypothekenfinanzierer Fannie und Freddie sowie der Versicherungsriese AIG verstaatlicht werden. Wir fallen von einem Extrem ins andere. Wie lässt sich das vermeiden?

Keines der beiden Extreme ist wünschenswert. Es wäre ein unendlicher Fehler, den Finanz- und Versicherungssektor zu verstaatlichen. Warum sollte die Regierung diese Bereiche besser führen können als privates Unternehmertum?

Das ist also nur eine vorübergehende Maßnahme. Wenn die Krise vorbei ist, werden die Unternehmen wieder privatisiert werden. Dann haben wir allerdings hoffentlich eine adäquate Form von Regulierung, die verhindert, dass ähnliches noch einmal passiert. Ich bin der Meinung, diese Krise hätte vermieden werden können.

Bisher haben die USA anderen Ländern Bilanzierungsregeln oder Regulierungsideen aufgezwungen, ohne sich selbst daran zu halten - wie bei der Kreditvergabe (Basel II). Wird sich das ändern?

Die Extremposition des absolut freien, unregulierten Marktes im Finanzsektor ist nicht haltbar. Wir sehen jetzt klar, welche Kosten das verursacht. Eine Abschwächung dieser Haltung ist unausweichlich.

Es gab bei der Finanzregulierung schon lange Unterschiede zwischen Europa und den USA. Ob sich diese Kluft schließt, ist schwer zu sagen. Die USA werden sich aber in Richtung Europa bewegen. Und die meisten Ökonomen würden wohl zustimmen, dass das gut ist.

Welcher Bereich wird als nächster Probleme verursachen: Hedgefonds, Credit-Default-Swaps, Konsumkredite, die nicht bedient werden können?

Das größte systemische Problem, vor dem die USA stehen, ist die Tatsache, dass nicht genug gespart wird. Das ist nicht neu, aber unverändert das größte Problem. Die Konsumenten leben über ihre Verhältnisse und von Krediten.

"Kauf jetzt, zahl später"?

Exakt. In der Rezession, in die wir uns hineinbewegen, wäre das schon okay: Um die Wirtschaft anzukurbeln, kann Deficit-spending (Nachfrage-Stimulierung, die Schulden in Kauf nimmt) durchaus gefragt sein. Aber: Sobald die Wirtschaft sich erholt, muss die Verschuldung abgebaut werden. Wenn das nicht passiert, befindet sich die USA auf dem Weg in ein Desaster.

Wird sich diese Einstellung in den USA ändern?

Im Moment können die USA über ihre Verhältnisse leben, weil ausländische Gläubiger - vor allem China - bereit sind, die Rechnung zu begleichen. Es wird aber der Moment kommen, wo diese ihr Geld sehen wollen. Das könnte in eine Katastrophe münden.

Diese Frage muss angegangen werden - vielleicht wegen der gegenwärtigen Rezession nicht sofort, aber in nicht allzu langer Zeit.

Die Weltwirtschaft hat jahrzehntelang davon profitiert, dass die USA auf allen Ebenen eifrig konsumiert haben, weil es das Wachstum vorangetrieben hat. Was, wenn das nicht mehr der Fall ist?

Sollten die asiatischen Länder ihre Geldflüsse über Nacht stoppen, würde das in den USA mit Sicherheit eine schwere Rezession verursachen, weil viele Ausgaben schlagartig nicht mehr möglich wären. Der beste Weg, um das zu verhindern, ist ein allmählicher Übergang zu einem stärkeren Sparkurs und mehr Investitionen.

Es sollte sich ein Gleichgewicht einstellen, sodass das gewaltige Handelsbilanz-Defizit der Vereinigten Staaten nicht noch größer wird. Bis zu einem gewissen Grad gibt es hier bereits eine Form der Selbstregulierung: Der Dollarkurs ist gefallen, dadurch werden Importe für die USA teurer und Exporte billiger. Aber das fehlende Sparverhalten wird dadurch nicht korrigiert. Hier muss etwas unternommen werden.

Welchem Präsidenten trauen Sie das eher zu, Barack Obama oder John McCain?

Was man sicher sagen kann, ist dass Obama einen klaren Zugang zu wirtschaftlichen Problemen hat. McCain hat seine Vorzüge eher in der Außenpolitik, dort hat er viel Erfahrung.

* Glauben Sie, wir haben

in der Finanzkrise das Schlimmste hinter uns? *

Das kann niemand sagen. Es könnten noch weitere Banken kollabieren, aber es wäre töricht, Vorhersagen zu treffen.

Wann ist der Zeitpunkt, in Panik auszubrechen?

Wir steuern schwierigen Zeiten entgegen, die USA sind bereits in Rezession, einige Teile Europas wie Italien auch. Aber Panik ist sicher nicht angebracht.

Regulierung und Anreize sind ein großes Thema in Ihrer Forschung. Wie können Märkte reguliert werden, ohne Wachstum und Innovation zu verhindern?

Die Antwort ist eine vernünftige und angemessene Form von Regulierung. Wir brauchen Minimalstandards für die Kreditvergabe. Bei vielen Subprime-Krediten war von Anfang an klar, dass die Kreditnehmer sie nie zurückzahlen können. Der einzige Grund, dass sie dennoch zustandekamen, war, dass die Banken sie vergeben haben. Solange die Immobilienpreise stiegen, wurden die Hypotheken refinanziert, wodurch die Banken ihr Geld zurückerhielten. Sie wussten aber, dass sie die Kredite selbst nie zurückerhalten.

Das heißt, die Immobilien-Kredite waren wie ein Pyramidenspiel, das zusammenbricht, wenn nicht mehr genug Teilnehmer investieren.

Ja, und genau das muss Regulierung verhindern. Als einzelne Bank kann ich eine Menge verdienen, solange ich früh genug mit dabei bin. Aber für das ganze System ist dieses Spiel entsetzlich, denn es wird am Ende immer kollabieren. Wie verhindert man das? Man braucht eine Regulierung, die solche Kreditvergaben verbietet. Das verhindert nicht Innovation und Wachstum, stoppt aber dumme und gefährliche Kredite.

Zur PersonEric Maskin, geboren am 12. Dezember 1950 in New York, ist seit 2000 Professor am Institute for Advanced Study der Universität Princeton. Vorher unterrichtete er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und in Harvard. Der Wissenschafter hält auch einen Ehrentitel der Cambridge University. Der Opernliebhaber ist verheiratet und hat zwei Kinder.