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Der Sinn des Föderalismus besteht darin, ihn bei der Lösung von Problemen anzuwenden.
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Die Regionalisierung der Corona-Maßnahmen ab Herbst war das große Projekt des ersten Pandemie-Sommers. Jetzt soll der Ampel im zweiten Frühling der Pandemie doch noch Leben eingehaucht werden. Besser spät als nie, auch wenn es schwerfällt zu verstehen, warum richtige Ideen es in Österreich fast nie beim ersten Anlauf über die Ziellinie schaffen (die Corona-App ist bis heute für die Kontaktverfolgung ein Schatten ihres Potenzials, und das Reintesten scheiterte Ende 2020 noch am widersinnigen Widerstand der GastronomieVertreter).
Natürlich erhebt sich auch jetzt Widerstand gegen eine Abstufung der Maßnahmen je nach regionalen Infektionszahlen und sonstigen Parametern. Und das ausgerechnet aus den Reihen der Landeshauptleute. Während Vorarlberg, das derzeit über den geringsten Wert an Neuinfektionen verfügt, darauf drängt, bevorzugen Wien, Niederösterreich und Salzburg, deren Zahlen allesamt deutlich höher liegen, dagegen aus.
In Österreich - und eigentlich überall - war es noch nie populär, Unpopuläres politisch verantworten zu müssen. Und nirgendwo ist diese Unlust verbreiteter als auf der Länderebene, wo man sich in solchen Situationen am liebsten hinter bundeseinheitlichen Regelungen versteckt. Nur sollte, wer überzeugt ist, dass neun Landesbauordnungen besser sind, um auf regionale Besonderheiten einzugehen (wofür es durchaus Argumente gibt), seinen Bürgern auch zumuten, dass auch regional abgestuften Maßnahmen den unterschiedlichen Gegebenheiten in einer Pandemie Rechnung tragen sollten.
Wer glaubt, so viel Selbstständigkeit und Eigenverantwortung seien den eigenen Landesbürgern nicht zuzumuten, ist an der Spitze eines Bundeslands grundsätzlich an der falschen Stelle. Zudem würde sich in diesem Fall jede grundsätzliche Debatte über die grundsätzliche Sinnhaftigkeit von Föderalismus erübrigen.
Im Übrigen gilt: Dass Sach- und Partikularinteressen der Länder regelmäßige quer zu den politischen Vorgaben der Bundesparteien verlaufen, ist ein wichtiger Beitrag, die Beschwörung starrer Fronten in der Politik als Inszenierung zu entlarven. Ein gesunder Pragmatismus, der sich mehr an den Problemen der Realität statt den Versprechungen der Ideologien ausrichtet, ist auch eher in der Lage, breite Mehrheiten hinter sich zu vereinen. Darin liegt das eigentliche Machtpotenzial talentierter Landeshauptleute und sollte nicht als Freifahrtschein für zynischen Opportunismus verstanden werden.