Zum Hauptinhalt springen

Die andere Seite des Sudan-Konflikts

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter.

Die jüngsten Ereignisse im Südsudan machen die große Rolle der westlichen Wirtschaftsinteressen bei der Teilung des Landes deutlich.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Am 9. Juli 2011 wurde der Südsudan von der internationalen Staatengemeinschaft als souveräner, unabhängiger Staat anerkannt. Mit seiner Neugründung waren viele Hoffnungen und Ängste verbunden. Jetzt, im Angesicht der derzeitigen Unruhen im Land, scheinen sich die Befürchtungen vor neuen Konflikten zu bewahrheiten. Wieder einmal kommt deutlich zum Vorschein, wie sehr ökonomische Interessen westlicher Staaten bei der Teilung des Sudan eine Rolle gespielt haben. Eine Befriedung, zumindest aber eine Stabilisierung der Region bleibt nach wie vor eine Zukunftsvision.

Es wäre ein Leichtes, die Komplexität der Konflikte zwischen Nord- und Südsudan, die in den Grenzgebieten Darfur, Südkordofan und Abyei ausgebrochen sind und weiter andauern, zu vereinfachen und als reinen Glaubenskrieg zwischen Muslimen und Christen darzustellen. Viele Regierungen im Westen tun dies allerdings gezielt, denn der sudanesische Machthaber Omar al-Bashir ist spätestens seit dem Haftbefehl durch den Internationalen Strafgerichtshof 2009 eine Persona non grata - zumindest für Europa und die USA, denn Russland, China, die neulich viel zitierte Arabische Liga und die Afrikanische Union haben sich gegen die Festnahme und Auslieferung Bashirs ausgesprochen.

Die Hungerkatastrophe in Darfur ist eine Tatsache ebenso wie die Existenz islamistischer Rebellen und arabisch-nationalistischer Partisanentruppen, der Dschandschawid. Es ist in erster Linie jedoch ein Kampf um Ressourcen, in den auch westliche Staaten und China involviert sind, die einen Religionskonflikt im Sudan als Vorwand benutzen, um daraus ökonomischen Profit zu schlagen. In der offiziellen Version hat die Teilung des Staates dazu gedient, die afrikanische Bevölkerung vor Bashirs Schergen zu schützen. Interesse an der Sezession des Südens, in dem ethnische Konflikte wie fast überall in Afrika weiterhin eine Rolle spielen, hatten Staaten wie die USA und die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien allerdings erst, als der Ölreichtum im Südsudan entdeckt wurde.

Den Befürwortern der Neugründung des Südsudan war von Anfang an bewusst, dass es dem Land an notwendigem Know-how für die Nutzung und den Export des Schwarzen Goldes fehlen würde. Vor allem die USA witterten in einem vom Norden unabhängigen Staat große Chancen, im Wettlauf um die Ressourcen, der derzeit in Afrika tobt, ihrem Gegenspieler China wie einst der Sowjetunion zuvorzukommen. Schon im September 2011 hatte sich der US-Sondergesandte im Sudan, Princeton Lyman, besorgt über die Konkurrenz durch chinesische, indische und malaysische Ölkonzerne gezeigt.

Trotz der Sanktionen gegen Bashirs Regime unterhält China ausgezeichnete Wirtschaftsbeziehungen mit dem Sudan, hofft jedoch ebenso auf Investitionen im Süden, wo sich die USA mit der Entsendung von Spitzenoffizieren und Militärberatern auch strategisch festsetzen wollen. Der Kalte Krieg ist zwar beendet, doch der Wettlauf der Macht geht weiter - und daran wird die Teilung eines Staates in Afrika leider nichts ändern.