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Die andere unbequeme Pädagogik

Von Thomas Jaretz

Gastkommentare

Betrachtet man die gegenwärtigen Schulmodelle, scheint es einen Wildwuchs im Bildungssystem zu geben, der kaum noch beziehungsweise sehr schwer überblickt werden kann.


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Bildung kann heutzutage ein wissenschaftlich interessantes Feld sein - vor allem dann, wenn man den Weg sucht. Wir finden zum ersten Mal bei Wilhelm von Humboldt eine Gliederung des Schulwesens. Dieses Schulwesen ist ein differenziertes System. Reformpädagogen wie Maria Montessori oder Hartmut von Hentig haben einige wichtige Beiträge für die Schule geleistet, sind aber auch durch Fehlleistungen bekannt geworden.

Man kann dem Schüler dabei helfen, sich selbst Wissen anzueignen. Es müssen jedoch klare Regeln existieren, damit wir überhaupt den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. Die Schule als Lebensraum zum Wohlfühlen hat ihre Berechtigung, doch nur dann, wenn sich das Kind auch in der Familie wohlfühlen kann.

Es entsteht nun eine Kluft zwischen moderner und konservativer Erziehung, meint man herauszulesen. Wo sich das Bildungssystem derzeit auf der Links-Rechts-Skala befindet, bleibt dem Leser überlassen. Alle sollen die gleichen Chancen bekommen, die Leistungsdifferenzierung soll in der Schule der 10- bis 14-Jährigen aufgehoben werden, und der Unterricht soll lustbetont dem Schüler die Möglichkeit geben, sich aus dem Angebot das Richtige herauszusuchen.

Ein Lebensraum für alle Schüler soll die Familie sein, dort werden die Kinder von ihren Eltern erzogen, dort lernen sie, wie individuell Werte gelebt werden. Auch in der Schule findet Erziehung statt, Erziehung und Schule lassen sich nicht voneinander trennen. Deshalb müssen auch Erziehungsmethoden wieder in der Schule möglich sein.

An keinem Arbeitsplatz wird nur lustbetont gearbeitet. Lernen stellt eine harte und manchmal sehr mühsame Arbeit dar. Das ausschließlich spielerische Vermitteln von Lerninhalten verweigert die Realität. Lernen muss etwas mit Leistung zu tun haben. Es geht nicht darum, die Schüler mit der Ausbildung in die Gesellschaft zu integrieren, sondern es geht darum, ihnen die Anforderungen der Gesellschaft in der Schule beizubringen.

Gerechtigkeit kann es in einem Schulsystem nur geben, wenn man sich der unterschiedlichen individuellen, gesellschaftlichen und sozialen Voraussetzungen bewusst wird. Da kann es keine gemeinsame Schule geben, wenn die Voraussetzungen keine gemeinsamen sind. Es wäre fairer, auf der Basis der Differenzierung eine Ausbildung zu ermöglichen, damit jeder den richtigen Platz in der Gesellschaft findet. Der deutsche Erziehungswissenschafter Hermann Giesecke fordert die Reduktion der Schule und die Rückkehr zu den eigenen Aufgaben der Schule. Die zeitgeistige Verirrung müsse wieder behoben werden.

Bei Misslingen wird Ivan Illichs Sichtweise von der Abschaffung der Schulen bald mehr Relevanz haben, als uns lieb ist. Der Pädagoge Illich wartet schon auf größere Beachtung. Vor den Verirrungen des Zeitgeists gewarnt.

Thomas Jaretz ist Schulleiter und Lehrer (Deutsch und Geschichte) am BG/BRG Laa an der Thaya.