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Die Angst der Grünen vor einem Déjà-vu

Von Walter Hämmerle

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Nichts ist in der Politik schlimmer als ein an sich ordentliches Ergebnis, das sich in der öffentlichen Wahrnehmung zur gefühlten Niederlage wandelt.


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Kann man Wahlen gewinnen und dennoch gleichzeitig als Verlierer in der öffentlichen Wahrnehmung dastehen?

Eigentlich eher nicht, würde zumindest der gesunde Menschenverstand vermuten. Doch der zählt herzlich wenig in der Welt der Politik, deren höhere Gerechtigkeit sich den unmittelbar Betroffenen oft erst im Nachhinein erschließt.

So blicken etwa nicht wenige Grüne dem Wahlabend mit einiger Skepsis entgegen. Streng inoffiziell natürlich, denn Zuversicht ist erste Funktionärspflicht im Vorfeld solcher Ereignisse. Der Grund mag Außenstehende überraschen, wird den Grünen doch ein sattes Plus prognostiziert; zudem geben auch die jüngsten Wahlergebnisse durchaus Anlass, dem Wählervotum mit Optimismus entgegenzufiebern.

Wovor etliche Grüne sich fürchten, das ist der Fluch überhoher Erwartungen. Dass dann ein eigentlich positives Ergebnis im Lichte des zuvor Erhofften sich plötzlich klein und mickrig, ja wie eine Niederlage anfühlt. Und genau dieser Eindruck anschließend in den Medien auf und nieder dekliniert wird. Tenor: Die Grünen als Umfragekaiser, die nicht imstande sind, Rückenwind in Resultate umzuwandeln.

Salzburg (plus 12,8 Prozentpunkte) und Kärnten (plus 7) belegen zwar das Gegenteil, als Beweis für eine generelle Trendwende wollen aber nicht einmal Spitzengrüne diese Wahlgänge gelten lassen. Zu besonders - hier ein Spekulationsskandal der Extraklasse, dort ein durch und durch korrumpiertes Politsystem - waren die Umstände. Eva Glawischnig muss im Herbst auf deutlich kargerem Acker säen und ernten. Gemessen an Kärnten und Salzburg kann die Parteichefin eigentlich nur verlieren - und genau vor diesem Eindruck bangen die Ökos. Zumal, wenn sich am Tag danach einmal mehr keine Regierungsoption ergeben sollte. Noch einmal fünf karge Jahre in der freudlosen Opposition . . . da könnte manch einer auf andere Zukunftspläne verfallen. Umso mehr, wenn man gleich fünf Landesparteien beim munteren Regieren zuschauen muss.

Die Grünen sind allerdings nicht die Einzigen, die sich öffentlich als Verlierer abgestempelt sehen, selbst wenn sie ein Plus vor dem Wahlergebnis stehen haben. Die FPÖ Heinz-Christian Straches könnte davon ebenfalls ein Lied singen, muss sie sich doch noch immer am einstigen Höhenflug der Partei unter Jörg Haider messen lassen.

Mit vielleicht nicht gänzlich unbegründetem Neid blicken die beiden Oppositionsparteien dagegen auf SPÖ und ÖVP, die scheinbar noch aus den größten Niederlagen relative Siege zu schmieden vermögen. Man denke nur an die Volkspartei, die bei den jüngsten vier Landtagswahlen viermal Stimmen und Prozente einbüßte - und dennoch das "Jahr der ÖVP" herbeifantasiert. Oder die Kanzlerpartei SPÖ, die es nunmehr in drei Ländern - neben Tirol, Vorarlberg vor allem auch im wahlmitentscheidenden Niederösterreich - amtlich hat, dass sie vor Ort keine Rolle mehr spielt.

Angesichts dieser kommunikativen Meisterleistungen beginnen manche in der Ökopartei schon, an der stets vermuteten Grün-Affinität der Medien zu zweifeln.