Chicago - Viele Moslems in den USA haben Angst - weiterhin. Nach den Anschlägen des 11. September erlebten sie eine Welle anti-islamischer Ausschreitungen. Die Sicherheitsbehörden setzten im Zuge der Anti-Terror-Fahndung Hunderte von Moslems fest, manche monatelang. Viele wurden dann abgeschoben, weil sie keine Aufenthaltserlaubnis hatten. Im Vorfeld des drohenden Irak-Krieges verschärft sich das Klima der Furcht in den islamischen Gemeinden erneut, besonders bei den Menschen irakischer Herkunft.
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Die "New York Times" berichtete bereits im November, dass die Behörden die Überwachung der irakisch-amerikanischen Gemeinde verschärften und sich um die Rekrutierung von Spitzeln in deren Reihen bemühten. Den Soziologieprofessor Ayad Al-Qazzaz von der California State University in Sacramento erinnert dies an frühere Zeiten - nicht in seiner Heimat Irak, sondern in den USA. Während des Golfkriegs 1991 erhielt Al-Qazzaz freundlichen Besuch vom FBI. Angeblich wollten die Agenten nachsehen, ob er drangsaliert werde. "Sie waren sehr nett, sehr höflich, aber die versteckte Botschaft war: 'Wir haben Dich im Blick'", erinnert sich der 61-jährige Akademiker und Friedensaktivist.
Der offiziellen Darstellung glaubt der Professor nicht: dass die neuen Überwachungsmaßnahmen darauf abzielten, Anhänger von Saddam Hussein herauszufiltern, die möglicherweise Terroranschläge verüben wollten. Al-Qazzaz' Meinung nach handelt es sich um eine repressive Maßnahme, um Gegner des Krieges einzuschüchtern.
Überwachungsprogramm
Das neue Überwachungsprogramm hat in jedem Fall die Ängste in der moslemischen Bevölkerung verstärkt. Kareem Irfan, ein islamischer Gemeindeführer aus der Gegend von Chicago, bemühte sich vergeblich, Partner zu finden, die mit ihm die Bespitzelungen anprangern, die er als weiteren Eingriff in die Grundrechte der moslemischen Minderheit sieht. "Die Leute fühlen sich bedroht. Sie sind besorgt, dass sie schon jetzt auf irgendeiner Art von Schwarzen Liste stehen", sagt Irfan, der den Rat Islamischer Organisationen im Großraum Chicago leitet.
In Detroit, wo die größte Konzentration von Arabern und Moslems in den USA lebt, liefen beim Amerikanisch-Arabischen Antidiskriminierungs-Komitee (ADC) die Telefonleitungen heiß, nachdem das Schnüffelprogramm bekannt geworden war. Die lokale Presse berichtet, dass Undercover-Agenten die arabischen und moslemischen Gemeinden infiltrierten, Spitzel an den Straßenecken stünden und Steuerbeamte die Bücher von moslemischen Geschäften und Organisationen verschärft prüften.