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Die Angst geht um in Burundi

Von WZ-Korrespondentin Simone Schlindwein

Politik

In dem ostafrikanischen Staat versucht Nkurunziza mit allen Mitteln an der Macht zu bleiben. Nun droht der Bürgerkrieg.


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Bujumbura. Als die Polizisten um die Ecke gebogen sind, blicken die Einwohner vorsichtig aus ihren Hoftoren. Ein paar Männer wagen sich in die enge Gasse, linsen, wohin die Uniformierten verschwunden sind. "Wir trauen ihnen nicht, sie erschießen und entführen Leute", sagt ein 30-Jähriger, der seinen Namen nicht nennen will. Die Angst geht um.

Das Stadtviertel Cibitoke wirkt wie ein Schlachtfeld. Nach wochenlangen Protesten und deren gewaltsamen Niederschlagung herrscht in Burundis Hauptstadt Bujumbura noch immer Ausnahmezustand. Entlang der sonst so geschäftigen Hauptstraße sind die Geschäfte verbarrikadiert. Die Überreste verbrannter Reifen haben den Asphalt schwarz gefärbt. "Keine dritte Amtszeit" hatten die Protestler in roter Farbe auf die Straße gesprayt. Die Buchstaben sind kaum mehr sichtbar. Am Dienstag soll ein neuer Präsident gewählt werden. Noch ist aber unklar, ob die Wahl überhaupt stattfinden wird.

Die Bürger verteidigen sich gegen die eigene Polizei

Wochenlang hatten im April und Mai in Cibitoke, wie in vielen anderen Stadtvierteln, die Menschen demonstriert: gegen Präsident Pierre Nkurunziza, der seit zehn Jahren an der Macht ist und für die Präsidentschaftswahl erneut kandidiert. Er darf laut Verfassung eigentlich nicht mehr antreten, doch das Verfassungsgericht hat sein OK gegeben.

Mitte Mai hatte der zeitweilige Geheimdienstchef General Godefroid Niyombare Präsident Nkurunziza für abgesetzt erklärt, als dieser auf einem Gipfel der Ostafrikanischen Union (EAC) im Nachbarland Tansania weilte. Doch der Putschversuch wurde von loyalen Einheiten niedergeschlagen. Die Polizei geht seitdem brutal gegen Demonstranten vor.

In Cibitoke patrouillieren jetzt mehr Polizisten, als Einwohner die Gassen entlangschlurfen. Doch sie sorgen nicht für Sicherheit, im Gegenteil: "Nachts schießen sie wild um sich, ich traue mich in der Dunkelheit nicht mehr vor die Tür", sagt der junge Mann. Er sieht müde aus: unterlaufene Augen, die Angst steht ihm ins Gesicht geschrieben. Seine Frau und die zwei Kinder hat er nach Ruanda geschickt. Über 130.000 Burundier sind geflohen. Auch seine Nachbarn.

"Ich bin geblieben, weil ich mein Haus bewachen will, sonst rauben sie uns aus, dann haben wir gar nichts mehr", sagt er. Cibitoke ist ein Armenviertel. Ein Haus zu besitzen, bedeutet hier sehr viel. Er blickt sich vorsichtig um. Steine, Baumstämme und Stacheldraht blockieren den Eingang der engen Gasse. "Wir haben die Barrikade errichtet, damit die Polizisten nicht mit ihren Autos hier durchfahren können", erklärt er. Die Menschen verteidigen sich gegen ihre eigenen Staatsorgane.

Die Regierung agiertwie ein Mafiaclan

In Burundi leben Hutu und Tutsi. Präsident Nkurunzizas Partei CNDD-FDD (Nationalkomitee/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) ist eine ehemalige Hutu-Rebellenbewegung und war 2005 nach jahrelangem Bürgerkrieg und einer von Gewalt geprägten Übergangszeit an die Macht gekommen. Die Elite der CNDD-FDD regiert seitdem wie ein Mafiaclan das kleine Land: Es gilt als Umschlagplatz für Drogen-, Waffen- und Goldhandel. Die Clique um Nkurunziza ist enorm reich, doch Burundi zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Diese Ungleichheit hat die Menschen auf die Straßen getrieben. Sie hatten Hoffnung, die korrupte Machtelite endlich loszuwerden.

Doch dann schickte Nkurunziza seine Schergen los. Der CNDD-FDD Jugendarm "Imbonerakure" - übersetzt: "die, die weit vorausschauen" - wurde als Miliz trainiert, in Polizeiuniformen gesteckt, mit Waffen ausgestattet. Jetzt terrorisieren sie die Bevölkerung. Internationale Beobachter fürchten den Kollaps: Regierungsangestellte und Soldaten werden nicht mehr bezahlt. Die Wirtschaft ist am Boden. Teile der Armee sind desertiert und drohen mit Rebellion. Vergangene Woche hat es erste Kämpfe im Norden des Landes gegeben. Ein Bürgerkrieg droht.

Ugandas Präsident Museveni versucht, zu vermitteln

Da kommt jetzt Ugandas Präsident Yoweri Museveni eingeflogen, um zu vermitteln. Der 70-Jährige ist seit knapp 30 Jahren an der Macht und gilt als Großvater der Region. Er versucht, den Bürgerkrieg abzuwenden.

"Setzt euch endlich hin", sagt der Alte, als würde er seine Enkel zurechtweisen. Im Luxushotel "Bell-Air" oben auf den Hügeln über dem Armenviertel Cibitoke, umzingelt von hunderten von Leibwächtern, hat Museveni Burundis Opposition zu Verhandlungen zusammen getrommelt - zumindest die, die nicht geflohen sind, aber die Wahlen boykottieren wollen. In stundenlangen Sitzungen hat er sich alle Positionen angehört, ihnen wie ein Großvater Lektionen erteilt: Die Waffen niederlegen, sich um den Aufbau des Landes bemühen.

"Alle Seiten haben zugesagt, intensiv zu verhandeln und eine Lösung zu finden", versichert Museveni zum Abschluss seiner 24-stündigen Stippvisite. Er werde jetzt Ugandas Verteidigungsminister schicken, um weiter zu vermitteln. Ob die Wahlen nächste Woche tatsächlich stattfinden werden, darüber schweigen sich alle aus. So geht weiter die Angst um.

Burundi, dieser bitterarme Staat in Ostafrika, war einst ein eigenes Königreich, später dann deutsche und belgische Kolonie. Wie in Ruanda, das wegen des Genozids der Hutu an Tutsi in den 1990er-Jahren traurige Berühmtheit erlangte, leben auch in Burundi diese beiden Volksgruppen.

Schon bevor das Land 1962 unabhängig wurde, kam es 1959 zu schweren Ausschreitungen zwischen Hutu und Tutsi. Diese setzten sich auch nach der Unabhängigkeit fort. Rund 300.000 Menschen sollen in Burundi bei Gewaltakten zwischen Hutu und Tutsi, die über die Jahrzehnte immer wieder ausbrachen, getötet worden sein. Zudem kam es zu Kämpfen zwischen einzelnen Tutsi-Fraktionen und zwischen den verschiedenen Hutu-Gruppierungen. Erst vor 12 Jahren endete ein Bürgerkrieg - nun droht ein erneuter Rückfall in die Gewalt.

Die aktuelle Krise hat aber kaum etwas mit den Konflikten zwischen Hutu und Tutsi zu tun, sondern es geht vielmehr um die Person von Präsident Pierre Nkurunziza und dessen autoritären Führungsstil. Ebenso wie Nkurunziza ist auch der ehemalige Geheimdienstchef Godefroid Niyombare, der im Mai mit einem Putsch gegen den Präsidenten scheiterte, ein Hutu. Und die Proteste gegen Nkurunziza werden von Hutu und Tutsi getragen.

Hutu und Tutsi in Burundi