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Die Angst vor Attentaten bremste den Wahlkampf

Von Jacques Thomet und Jose Ramos

Politik

Bogota - Die Bomben der Guerilla haben die Anwärter auf die Präsidentschaft in Kolumbien weitgehend verstummen lassen: Aus Angst vor Attentaten der linksgerichteten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) verzichten die Kandidaten auf öffentliche Kundgebungen und gehen stattdessen mit Zeitungsanzeigen und Rundfunkinterviews auf Stimmenfang. Am meisten um sein Leben fürchten muss der unabhängige konservative Kandidat Alvaro Uribe. Der 49-Jährige gilt mit seiner kompromisslosen Haltung gegen die FARC als haushoher Favorit für die Präsidentschaftswahl am Sonntag. Er könnte bereits im ersten Durchgang gewählt werden.


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Nach dem Scheitern des von Pastrana angestoßenen Friedensprozesses mit der FARC wünschen sich die Kolumbianer einen starken Mann als Nachfolger des scheidenden Präsidenten Pastrana. Offenbar trauen sie Uribe am ehesten zu, dem seit 1964 andauernden Bürgerkrieg nun notfalls mit Gewalt ein Ende zu bereiten. In Umfragen liegt Uribe mit rund der Hälfte der Stimmen weit vor dem liberalen Kandidaten Horacio Serpa, der mit einem Viertel der Stimmen rechnen kann. Erreicht Uribe bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, kann er am 7. August mit einem klaren Wählerauftrag sein Amt antreten: die Gewalt der Guerilla mit harter Hand zu bekämpfen.

Seit dem Scheitern der Friedensverhandlungen im Februar überzieht die FARC das ganze Land mit einer Gewaltwelle. Hunderte Zivilisten kamen seitdem bei Kämpfen zwischen FARC und der Armee sowie rechtsgerichteten Paramilitärs der Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen (AUC) ums Leben. Mit Bombenanschlägen und Sabotageakten auf die Infrastruktur in den Großstädten sowie Entführungen von Politikern und Journalisten versucht die FARC, das öffentliche Leben in Kolumbien lahm zu legen. Seit drei Monaten befindet sich die Präsidentschaftskandidatin der Grünen, Ingrid Betancourt, in ihren Händen.

Zwar kündigte die FARC am Wochenende überraschend an, die Friedensgespräche wieder aufnehmen zu wollen, doch Uribe lehnte das Angebot umgehend ab. Der 49-Jährige tritt für ein hartes Vorgehen gegen die FARC ein. Morddrohungen und wiederholte Attentatsversuche haben ihn nur noch in seiner harten Haltung bestärkt. Erst Mitte April entging er in der nördlichen Küstenstadt Barranquilla nur knapp einem Bombenattentat.

Die Beendigung der Gewalt mit jährlich etwa 23.000 Toten und rund 3000 Entführungen ist der Dreh- und Angelpunkt und wichtigste Aufgabe für den künftigen Staatschef. Durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg liegt auch die Wirtschaft des Landes am Boden. Nach amtlichen Angaben leben knapp zwei Drittel der Kolumbianer in Armut.

Alle Kandidaten haben sich zudem die Erneuerung des von Korruption und Vetternwirtschaft am Boden liegenden Parteiensystems auf die Fahnen geschrieben. Bei der Parlamentswahl im März verloren die seit dem 19. Jahrhundert dominierenden Traditionsparteien erstmals die Mehrheit. Symptomatisch für den Niedergang des traditionellen Parteiensystems ist auch, dass die Konservativen erstmals keinen eigenen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl aufstellten. AFP