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Seit Sommer ist es der Regierung erlaubt, bei einem viel größeren Teil der Foreign Direct Investments in Österreich mitzureden. Die Motivation hinter diesem neuen Gesetz ist hinterfragungswürdig.
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Investoren mit Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder der Schweiz müssen seit diesem Sommer für ihre Österreich-Investments das neue Investitionskontollgesetz (InvKG) berücksichtigen. Im Vergleich zum bis dahin geltenden §25a Außenwirtschaftsgesetz ist das InvKG ein recht engmaschiges Netz, das es der Regierung erlaubt, bei einem viel größeren Teil der Foreign Direct Investments in Österreich mitzureden. Österreich folgt damit einem europäischen Trend hin zu mehr und zu einer restriktiveren Überprüfung von Investitionen von außerhalb Europas.
Ebendieser Trend war auch Grund und Anlass für die FDI-Screening-Verordnung der EU, welche ab Oktober gilt. Sie sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten ihre jeweiligen Mechanismen zur Kontrolle von FDIs koordinieren. Ohne selbst konkrete Kontrollmechanismen vorzuschreiben, setzt die Verordnung gewisse Mindeststandards, wenn ein Mitgliedsstaat tatsächlich eine solche Kontrolle von Investitionen vorsieht. Im Moment betrifft das 14 der EU-Mitglieder (sowie Großbritannien).
Zahlreiche Lücken geschlossen
Das InvKG schließt zahlreiche Lücken, die nach Ansicht so mancher in der Rechtslage bis zum heurigen Sommer existierten: So waren bisher zum Beispiel sogenannte Asset Deals nicht erfasst. Nunmehr unterliegen auch Transaktionen, bei denen nicht Gesellschaftsanteile (zum Beispiel an einer GmbH), sondern Vermögenswerte (zum Beispiel Patente) erworben werden, der staatlichen Kontrolle. Nicht erfasst waren bisher weiters Fälle, in denen sich eine operativ tätige Gesellschaft mit Sitz im EWR oder der Schweiz an einer österreichischen Gesellschaft beteiligten - auch wenn hinter diesem Investor wiederum jemand von außerhalb des EWR oder der Schweiz stand.
Dieses Schlupfloch existiert nunmehr genauso wenig wie die Möglichkeit, einfach die ausländische Muttergesellschaft der österreichischen Gesellschaft zu erwerben. Auch die pauschale Schwelle von bisher 25 Prozent der Stimmrechtsanteile, ab welcher die diversen Pflichten des Gesetzes schlagend werden, wurde abgeschafft. Stattdessen differenziert das Gesetz jetzt nach der Tätigkeit des österreichischen Zielunternehmens und räumt schon ab 10 Prozent diverse Kontrollrechte ein. Neu ist schließlich auch die Unterscheidung je nach dem Hintergrund des prospektiven Investors, zum Beispiel, ob es sich um einen staatlichen oder rein privaten Investor handelt.
Märkte der EU galten stets als besonders offen
Die Motivation hinter diesem neuen Gesetz ist hinterfragungswürdig. Laut OECD galten die Märkte der EU stets als besonders offen für Investitionen aus dem Ausland. Zu Recht. Mit diesen fließen schließlich selten nur Kapital, sondern meist auch Know-how und Quellen der Innovation ins Land. Die EU hat ihren wirtschaftlichen Erfolg zu einem nicht unwesentlichen Teil dieser Offenheit zu verdanken. Für ein kleines Land wie Österreich kommt hinzu, dass gewisse Unterfangen nur schwierig umsetzbar sind, wenn man ausschließlich mit Ressourcen aus der EU arbeiten wollte. Man denke zum Beispiel an den Aufbau einer 5G-Infrastruktur: Ohne US-amerikanische und ostasiatische Player wäre die Auswahl an potenziellen Partnern für diesen Aufbau ausgesprochen gering. Legt man nun aber den US-amerikanischen und ostasiatischen Anbietern zu viele Steine in den Weg zu einem Österreich-Engagement, so kann es irgendwann passieren, dass sie auf den überschaubaren österreichischen Markt gänzlich verzichten; Österreichs Auswahl wäre auf die wenigen europäischen Anbieter reduziert; in Ermangelung nennenswerten Wettbewerbs würden sich diese wohl kaum tobende Preisschlachten liefern.
Aber auch dem europäischen Geist würden allzu hohe Hürden für Investitionen aus Drittstaaten widersprechen. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist nicht nur eine der vier Grundfreiheiten der EU. Sie verbietet auch als einzige davon Beschränkung - eben solche des Kapitalverkehrs - nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen EU und Drittstaaten. Auch mit dem "Bekenntnis zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen des internationalen Handels, zu ausländischen Direktinvestitionen sowie zum Abbau der Zoll- und anderer Schranken" (Artikel 207 Abs 1 AEUV) stünden allzu restriktive Kontrollen von Investitionen im Widerspruch.
Mehr als genug Ermessensspielraum
So bleibt zu hoffen, dass das neue Gesetz in diesem Sinne angewandt wird. Ermessensspielraum dafür besteht mehr als genug. Das beginnt bei der Definition von "Direktinvestition": Neben dem Erwerb eines Unternehmens, von Stimmrechtsanteilen und von wesentlichen Vermögensbestandteilen wird auch der Erwerb eines "beherrschenden Einflusses" erfasst. Es bedarf keiner allzu lebhaften Phantasie, um sich viele verschiedene Behördenpraxen vorzustellen.
Auch die erfassten Wirtschaftszweige strotzen nur so vor unbestimmten Gesetzesbegriffen. Zum Teil nennt das Gesetz Beispiele und macht damit etwas deutlicher, was etwa mit "kritischen Technologien" oder mit "kritischen Ressourcen" gemeint sein könnte. Findige Anwälte haben dennoch ein weites Spielfeld, um ihren Mandanten Wege, vorbei an einer Genehmigungspflicht, aufzuzeigen. Den bei weitem größten Spielraum genießt freilich die Behörde, wenn sie zum Zug kommt und festzustellen hat, ob denn nun eine "Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" droht und wenn ja, allenfalls Auflagen erteilt.
Die Bedeutung des neuen InvKG für die internationale M&A-Praxis (und für Berater, die sich auf solche Transaktionen spezialisiert haben) ist nicht zu überschätzen. Anders als bisher ist nicht nur der ausländische Investor, sondern auch das österreichische Zielunternehmen antragspflichtig. Die Behörden genießen umfangreiche Betretungs-, Frage- und Einsichtsrechte. Genehmigungsverfahren können auch amtswegig eingeleitet werden. Verstöße gegen das Gesetz können nicht nur zivil-, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben.