Polens Premier will sein Land 2011 in der Eurozone sehen - und löst mit der Ankündigung eine heftige Debatte aus.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Bei euch ist ja auch alles teurer geworden." Die 53-jährige Magda hält nichts von der Euro-Einführung in ihrem Land. Polen solle sich gar nicht damit beeilen, findet sie. In Österreich oder in Deutschland, so hat sie gehört, habe die Gemeinschaftswährung nur Teuerungen gebracht. Die Gehälter aber seien nicht gestiegen.
Wie viele Polen sieht Magda die Pläne der Regierung in Warschau mit Skepsis. Die Bürgerplattform (PO) von Premier Donald Tusk peilt das Jahr 2011 als Termin für die Umstellung von Zloty auf Euro an - und löste mit der Ankündigung gleich eine heftige Debatte aus.
Bisher war von einem Datum kaum die Rede. Von den zehn überwiegend osteuropäischen Staaten, die 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, sind bereits Slowenien, Malta und Zypern Mitglieder der Eurozone. Die Slowakei soll kommendes Jahr dazukommen. Polen aber hatte bisher keine großen Ambitionen, sich auf ein fixen Termin festzulegen.
Ginge es nach der im Vorjahr abgewählten rechtsgerichteten Regierung unter Jaroslaw Kaczynski, bräuchte das Land den Euro überhaupt nicht. Nun ist die mittlerweile oppositionelle Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) zwar nicht mehr generell gegen die Einführung der neuen Währung. Doch sollte diese frühestens in 15 oder 20 Jahren kommen - und nachdem das Volk dazu in einem Referendum befragt wurde.
Eine frühere Umstellung würde den Lebensstandard der Polen senken, argumentiert PiS-Vorsitzender Kaczynski. Pensionisten könnten - umgerechnet - gar fast hundert Euro monatlich verlieren. Diese Aussage brachte Kaczynski eine Rüge aus dem EU-Parlament ein: Der Oppositionspolitiker solle den Leuten nicht mit Schauergeschichten Angst einjagen.
Premier Tusk von der ebenfalls rechtsgerichteten, doch wirtschaftsliberalen PO wiederum hält die Euro-Einführung in etwa drei Jahren für "schwierig, aber machbar", jedenfalls für wünschenswert. Allerdings sehen auch Finanzexperten das Datum als unrealistisch an.
Ein Ende der Diskussion ist nicht absehbar. Und gleichgültig, ob auch eine Volksbefragung angesetzt wird oder nicht (obwohl Polen sich bei seinem EU-Beitritt auch zur späteren Mitgliedschaft in der Eurozone verpflichtet hat) - die PO wird auch im Parlament noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Denn für die Einführung des Euro ist eine Verfassungsänderung nötig. Dazu wiederum ist die Zustimmung von PiS erforderlich.
*
Debatten über Finanzen hin oder her - vom Zocken lassen sich viele Polen nicht abhalten. Wie die Zeitung "Puls Biznesu" berichtet, werden sie heuer 17 Milliarden Zloty (rund 5,2 Milliarden Euro) für Glücksspiele ausgeben. Das sei doppelt so viel wie im Jahr 2006 und mehr als alle Kasinos in Las Vegas zusammen jährlich verdienen. Im Vorjahr gaben Polen mehr für Glücksspiele aus als für Wodka, Bier und medizinische Leistungen.
Mehr als 1,5 Milliarden Euro verschwanden in Spielautomaten, von denen es an die 35.000 Stück in Bars oder auf Tankstellen; gibt. Besonders beliebt sollen dabei die sogenannten einarmigen Banditen sein. Doch auch Totalizator Sportowy, das Lotterieunternehmen im Staatsbesitz, hat kaum Grund zur Klage: Im Vorjahr floss fast eine Milliarde Euro in seine Kassen. Das war ein Fünftel mehr als 2006.
Alle Beiträge dieser Rubrik unter:
www.wienerzeitung.at/
grenzgaenge
grenzgaenge@wienerzeitung.at