Viele Vietnamesen empfinden China als ständige Bedrohung. | Der Seestreit spiegelt die belasteten Beziehungen wider.
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Hanoi. Es geschieht nicht oft, dass die in Vietnam herrschende Kommunistische Partei Demonstrationen gestattet. Doch vor Chinas Botschaft in Hanoi ließ man aufgebrachte Bürger gewähren, die Peking eine Invasionspolitik im Südchinesischen Meer vorwarfen. Als dann aber nach ein paar Tagen kein Ende der Proteste in Sicht war, drehte sie die Polizei doch ab.
Denn es bestand die Gefahr, dass die Demonstrationen sich gegen die Regierung wenden. Viele Bürger fordern eine unnachgiebige Haltung gegenüber Peking.
Vietnams Führung befindet sich in einer Zwickmühle: Einerseits muss sie, um die Bevölkerung zu beruhigen, Härte gegenüber dem Nachbarn zeigen - was sie mit Militärübungen im Südchinesischen Meer auch schon getan hat. Andererseits ist sie sich bewusst, dass man China im äußersten Fall wohl militärisch unterlegen wäre, und zeigt sich daher immer wieder gesprächsbereit.
Der Konflikt um die Spratly-Inseln ist nicht nur ein Streit um Territorium und Ölvorkommen. In Vietnam spiegelt er auch die belasteten Beziehungen zum großen Nachbarn wider.
Chinesische Dynastien beherrschten früher Vietnam oder führten dort Eroberungszüge durch. Und auch wenn das schon hunderte Jahre her ist, gelten die vietnamesischen Freiheitskämpfer von damals bis heute als Nationalhelden. Auch später kam es zu Kriegen. Nachdem Vietnam 1979 in Kambodscha die Roten Khmer gestürzt hatte, startete Peking, das mit den Roten Khmer verbündet war, eine „Strafexpedition” im Norden Vietnams. Nach heftigen Gefechten und zehntausenden Toten beanspruchten beide Seiten den Sieg für sich. Bis heute empfinden viele Vietnamesen China als permanente Bedrohung.
Dies zeigt sich auch in einer Petition von hoch angesehenen Persönlichkeiten an die vietnamesische Regierung, von der die „Asia Times Online” berichtet. Darin wird gewarnt, dass der politische, ökonomische und kulturelle Einfluss Chinas immer mehr wächst. Vietnam drohe, zu einem Vasallenstaat zu werden. Die Unterzeichner sind etwa ehemalige hochrangige Offiziere und Diplomaten. Es sind keine Dissidenten, über die die Regierung hinweg gehen kann. Der Konflikt mit China könnte also die vietnamesische Führung auch innenpolitisch noch schwer in Bedrängnis bringen.