Die USA sitzen trotz Ausstiegs aus dem Pariser Abkommen bei der Weltklimakonferenz in Bonn noch am Verhandlungstisch.
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Bonn. Als Donald Trump am 1. Juni nach einer kurzen Ansprache im Rosengarten wieder hinter der Terrassentür des Weißen Hauses verschwand, schien alles irgendwie auseinander gefallen zu sein. Mit ein paar knappen Sätzen hatte der US-Präsident zuvor den Ausstieg seines Landes aus dem historischen Klimaschutzvertrag von Paris verkündet und damit jegliche Hoffnung zunichte gemacht, dass der weltweit zweitgrößte Treibhausgasemittent nach China in den ohnehin schon schwierigen internationalen Klimaverhandlungen künftig eine bedeutende konstruktive Rolle spielen wird. Kohle und Öl hatten unter Trump das Match gewonnen, Solarenergie und Windkraft waren die Verlierer.
Wenn ab Montag in Bonn mehr als 23.000 Teilnehmer aus 200 Ländern bei der 23. Weltklimakonferenz zusammenkommen, wird es das erste derartige Treffen nach Trumps denkwürdigen Rede im Rosengarten sein. Vor allem Vertreter von Umweltschutzorganisationen und die Delegierten besonders vom Klimawandel betroffener Länder erhoffen sich daher in der ehemaligen deutschen Hauptstadt eine "Jetzt erst recht"-Stimmung. Ob es dazu kommt, hängt allerdings ausgerechnet von den USA ab.
Denn weil der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen formal frühestens am 4. November 2020 möglich ist, sitzen die Amerikaner bei der 14-tägigen Mammutveranstaltung noch als gleichberechtigter Verhandlungspartner mit am Tisch. Und auch wenn in Bonn keine bahnbrechenden Beschlüsse wie vor zwei Jahren in Paris zu erwarten sind, gibt es dennoch zahlreiche Gelegenheiten, bei denen die US-Delegation Sand ins Getriebe streuen könnte.
Denn in der französischen Hauptstadt wurden vor allem die Eckpfeiler der künftigen Klimaarchitektur eingeschlagen. So legte jedes Land für sich fest, in welchem Umfang es in den kommenden Jahren seinen Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen reduzieren will, um das globale Fernziel - eine Beschränkung der Erderwärmung auf maximal zwei Grad - zu erreichen. In Bonn und in Kattowitz, wo die Weltklimakonferenz im nächsten Jahr stattfindet, sollen hingegen konkrete Schritte zur Umsetzung dieser Ziele erarbeitet werden. Am Ende soll dabei ein Regelbuch herauskommen, das in den kommenden Jahren als weltumspannender Handlungsleitfaden dient.
Strenge Regeln für China
Als möglicher Konfliktpunkt mit den Vereinigten Staaten gelten dabei vor allem die noch zu bestimmenden Transparenzregeln, mit denen überprüfbar gemacht werden soll, inwieweit die einzelnen Länder ihre Klimaschutzpläne auch tatsächlich umsetzen. So könnten die USA, obwohl sie selbst nicht mehr vom Abkommen betroffen sind, dennoch auf sehr strikte Bestimmungen drängen, um geopolitischen Rivalen wie China das Leben schwer zu machen.
Sollten sich die USA tatsächlich als maßgeblicher Störfaktor entpuppen, würde der daraus entstehende Konflikt wohl vor allem zu Lasten der kleinen, vom Klimawandel besonders betroffenen Länder gehen, die sich von der diesjährigen Konferenz besonders viel Aufmerksamkeit erhoffen. Denn obwohl die Veranstaltung auf Grund von Platz- und Logistikgründen in Deutschland stattfindet, hat mit dem kleinen Inselstaat Fidschi ein Land die Präsidentschaft inne, wo sich die Auswirkung der globalen Erwärmung wie kaum sonst wo zeigt. Für viele Dörfer hat die Regierung bereits einen Umsiedlungsplan ausgearbeitet, um den Menschen rechtzeitig ein neues Zuhause verschaffen zu können, wenn der Meeresspiegel weiter so ansteigt wie prognostiziert.
Entsprechend gereizt reagieren die Vertreter der Inselstaaten auch schon bei dem Gedanken, dass die Amerikaner den Klimaschutzbefürwortern Prügel vor die Beine werfen könnten. "Die Trump-Regierung sollte sich wirklich fernhalten und nicht den Rest der Welt wegen der Unfähigkeit des Präsidenten in Geiselhaft nehmen", sagt Ian Fry, der in Bonn das ebenfalls vom Untergang bedrohte Tuvalu vertritt.
Nicht nur Klimaschutzgegner
Nicht wenige Konferenzteilnehmer haben allerdings auch die Hoffnung, dass sich die USA in Bonn durchaus zurückhaltend, wenn nicht so gar konstruktiv verhalten könnten. Denn dass auch die letzte verbliebene Supermacht ganz schnell als Außenseiter an den Rand gestellt werden kann, mussten die USA erst im Juli beim G-20-Gipfel in Hamburg zu Kenntnis nehmen. Dort hatten sich die 19 übrigen führenden Industrie- und Schwellenländer trotz des Widerstands der Vereinigten Staaten ausdrücklich zum Pariser Abkommen bekannt. Hinzu kommt dass viele der US-Verhandler schon unter Trumps Amtsvorgänger Barack Obama gedient haben und damit zu den Mitarchitekten des 2015 geschlossenen Vertrags gehören. Angeführt wird die amerikanischen Delegation zudem vom angesehen Karrierediplomaten Thomas Shannon, der nicht unbedingt als Klimaschutzgegner gilt. In einer Rede im Jahr 2015 bezeichnete der nunmehrige Außenstaatssekretär die globale Erwärmung als "eine der größten Herausforderungen der Menschheit".
Wie dringend ein konstruktiver Beitrag der USA nötig wäre, haben nicht zuletzt die wenige Tage vor Konferenzbeginn veröffentlichten Forschungsergebnisse klar gemacht. Denn selbst bei Einhaltung aller bisher von den Ländern vorgelegten Klimaschutzzusagen wird sich die Erdtemperatur laut dem UN-Umweltprogramm Unep um mindestens drei Grad erhöhen. Die Folgen des Klimawandels wären dann nach Einschätzung der allermeisten Wissenschafter von der Menschheit kaum noch zu beherrschen.