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Mit VW wankt ein Riese. Den wirklichen Umbruch bringen aber selbstfahrende Autos und der Einstieg der IT-Giganten Apple und Google.
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Frankfurt/Cupertino. Wenn in der Automobilwelt tatsächlich eine Zeitenwende anbricht, dann könnte sie wohl nicht viel dramatischer illustriert werden als derzeit. Denn während VW, jener riesige Fixstern der Branche, der nur noch mit dem Slogan "Das Auto" wirbt, gerade wegen manipulierter Abgastests bedrohlich wankt, steigt ein neuer, allerdings branchenfremder Gigant nun auch offiziell in den Ring. Laut dem "Wall Street Journal" hat Apple den Bau eines eigenen Elektroautos nicht nur firmenintern verbindlich beschlossen, sondern gleichzeitig auch ein Zieldatum fixiert. Bis 2019 soll das Projekt mit dem Namen "Titan" Marktreife erreichen.
Wie ernst es der iPhone-Hersteller meint, lässt sich auch an der Zahl der Mitarbeiter ablesen, die das Entwicklungsteam schon in Kürze verstärken sollen. Laut dem "Wall Street Journal" haben die Projektleiter bereits eine Verdreifachung ihres Personals auf 1800 Mitarbeiter bewilligt bekommen. Schon in den vergangenen Monaten hat Apple viele Experten aus der klassischen Automobilindustrie eingestellt, darunter etwa den Chefentwickler von Mercedes in den USA. Gleichzeitig wurden auch zahlreiche Mitarbeiter des amerikanischen E-Auto-Pioniers Tesla und Spezialisten für selbstfahrende Autos abgeworben. Dabei soll Apple Prämien von bis zu 250.000 Dollar für einen Wechsel geboten haben.
Wie sehr die neuen Player eine gesamte Branche in Aufruhr bringen, lässt sich auch auf der derzeit laufenden Frankfurter Automesse IAA beobachten. Dort ist zwar Apple nicht vertreten, aber der Suchmaschinen-Riese Google, der sich mit seinem kleinen selbstfahrenden Auto gerade warmläuft, die Deutungshoheit in Sachen Mobilität auf den Kopf zu stellen. In dem kugelrunden Stadtflitzer mit dem rotierenden Laser auf dem Dach, der derzeit auf amerikanischen Straßen getestet wird, findet sich nicht einmal mehr ein Lenkrad.
Für viele Menschen hört sich die Vorstellung, auf dem Weg zur Arbeit ein Buch lesen zu können, verlockend an: Drei Viertel der Autokäufer in Deutschland sind laut einer Studie von McKinsey bereit, auf ein autonom fahrendes Auto umzusteigen - vorausgesetzt, dieses wäre nicht teurer als ein herkömmliches Fahrzeug. Entscheidend ist für viele, dass sie jederzeit die Steuerung auf Wunsch wieder selbst übernehmen können.
Um ihr Terrain zu verteidigen, arbeiten die großen traditionellen Autohersteller derzeit ebenfalls mit Hochdruck an selbstfahrenden Autos. BMW, Daimler und Audi haben zudem gerade den Navigationsdienst Here für 2,5 Milliarden Euro von Nokia gekauft. Dieser stellt hochpräzise Karten und Elektronik her, ohne die selbstfahrende Autos nicht funktionieren. Doch bei der immer wichtiger werdenden Vernetzung haben die IT-Giganten schon jetzt einen entscheidenden technologischen Vorsprung. "Die große Gefahr ist, dass die traditionellen Hersteller am Ende als margenschwache Hardware-Lieferanten dastehen", glaubt Autoexperte Stefan Bratzel. Auch deshalb begegnen die Autobauer jedem Umarmungsversuch aus Silicon Valley derzeit wohl mit Argwohn.