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"Seien Sie vernünftig. Haben Sie Angst vor dieser Wiener Polizei", beginnt der Jurist Georg Bürstmayr einen Leitfaden für den Bürger im Umgang mit der Polizei. Es sei ratsam, die Straßenseite zu wechseln, sollte man ihr begegnen. Es gilt jeden Kontakt mit ihr zu vermeiden, und wenn es tatsächlich sein muss, dann nur mit Zeugen, am besten einem ORF-Team, das in Zeitlupe das Aufeinandertreffen auf Super-Zoom mitfilmt. Bürstmayr bezieht sich in seinem Blogeintrag auf den Fall der Wienerin, die in der Silvesternacht von Polizisten schwer verletzt worden sein soll. Seine Botschaft ist klar: Dieser Polizei kann man nicht trauen.
Es ist ein Grundgefühl, das sich längst jenseits anarchistischer Kreise breitgemacht hat. Wer sich das aktuelle Video vom Vorfall auf der Mariahilfer Straße ansieht, erkennt vor allem eine aufgebrachte Masse. Eine, die instinktiv spürt, dass überall dort, wo die Polizei auftaucht, Unrecht geschieht. Willkür vorherrscht, man besser die Kamera zückt, denn man weiß ja nie. Nüchtern und unvoreingenommen scheint ein Polizeieinsatz dieser Tage nicht mehr betrachtet werden zu können. Zu viel ist passiert und zu oft wurde jeder Vorwurf mit dem Satz quittiert: "Wir werden das evaluieren."
Die Bevölkerung verliert das Vertrauen. Sie beginnt sich die Polizei als sektenhaften Verein vorzustellen, in dem ein ominöser Korpsgeist herumspukt, dem nicht beizukommen ist - nicht intern und schon gar nicht extern.
Vor einem Jahr soll eine schwangere Demonstrantin bei einer Festnahme ihr Kind verloren haben. Es stellte sich heraus: Die Frau war nie schwanger. Sie hatte gelogen. Doch die Polizei war es, der man das Schlimmste zutraute. Kann eine Polizei in so einem Klima funktionieren? Der Polizeiwissenschafter Rafael Behr sagt ja. Sie kann funktionieren. Sie braucht den Respekt der Bevölkerung nicht. Sie hat ein anderes Mittel: die Angst.