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In den USA lautet die vorherrschende politische Weisheit: Es ist verrückt, sich mit den Waffenbefürwortern anzulegen.
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Wie kommt es, dass US-Präsident Barack Obama nach 18 Monaten Regierungszeit die Leitung des Amts für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Sprengstoffe (ATF), das zuständig ist, illegale Waffengeschäfte zu überwachen, noch immer nicht besetzt hat? Die Antwort ist bekannt: Regierung und Kongress haben Angst vor der Waffenlobby.
Mexiko taumelt unter einem Aufstand des Drogenkartells, das hauptsächlich mit Waffen aus den USA versorgt wird, was in Arizona derart viel Angst auslöst, dass man auf ein Anti-Einwanderungsgesetz verfällt, das verfassungswidrig ist. Endlich einen ATF-Chef einzusetzen, der gegen illegale Waffengeschäfte vorgeht, wäre nur ein symbolischer Schritt. Er würde aber sowohl in Mexiko als auch in Arizona signalisieren, dass die US-Regierung gewillt ist, sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen.
"Kein Kommentar", nicht viel mehr bekam ich zu hören, als ich im Weißen Haus wegen des unbesetzten ATF-Postens nachfragte. "Das Fehlen eines Leiters hat die Schlagkraft des ATF gelähmt und seine Mitarbeiter entmutigt," schrieb Paul Helmke, Präsident der Brady Campaign to Prevent Gun Violence, am 10. Juni an Obama. Fast zwei Monate später ist weder der Posten besetzt, noch sind Spitzenkandidaten in Sicht.
Die Zahlen der Waffenflüsse nach Mexiko sind wirklich erschreckend. Von Dezember 2006 bis April 2010 beschlagnahmte die mexikanische Regierung 31.946 Handfeuerwaffen und 41.093 Sturmgewehre. Von den Waffen, die man zurückverfolgen konnte, kamen laut Angaben des mexikanischen Botschafters Arturo Sarukhan rund 80 Prozent aus den USA.
"Geheimdiensterkenntnisse deuten darauf hin, dass kriminelle Organisationen ihre Geldwäsche-, Vertriebs- und Transportinfrastruktur bis in die USA ausdehnen, um an Schusswaffen und Munition zu kommen", heißt es warnend in einer ATF-Erklärung aus dem Jahr 2008. Rund 7000 US-Waffenhändler gibt es an der mexikanischen Grenze innerhalb von 100 Meilen.
Eine Beschlagnahme von Waffen in Nuevo Leon, gleich über der texanischen Grenze, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Arsenale der Waffenhändler: Im Mai stellte die mexikanische Armee 124 Sturmgewehre sicher, 15 Handfeuerwaffen, 3 Panzerabwehrraketen, mehr als 5000 Schuss Munition und 1375 Magazine.
Terry Goddard, Generalstaatsanwalt von Arizona, setzte seine Karriere aufs Spiel und arbeitete mit dem ATF und den mexikanischen Behörden zusammen. Im Mai 2008 brachten seine Staatsanwälte X-Caliber Guns, einen Waffenhändler aus Phoenix, vor Gericht. Der Prozess scheiterte jedoch an den schwachen Waffengesetzen Arizonas - trotz der harten Fakten (X-Caliber hatte Waffen an verdeckt arbeitende ATF-Mitarbeiter verkauft, obwohl sie ihm sagten, sie wollten sie in Mexico verkaufen).
Und was bekommt Goddard für seine Mühe? X-Caliber verklagte ihn wegen böswilliger Verfolgung. Und jüngste Umfragen zeigen Goddard bei seiner Kandidatur für das Amt des Gouverneurs, mit der er sich gegen die immigrantenfeindliche Haltung von Gouverneurin Jan Brewer stellt, weit hinter dieser. Es ist verrückt, die Waffenlobby herauszufordern, lautet die vorherrschende politische Weisheit in den USA, deren sich offensichtlich auch die Regierung bedient. Als Mexikos Präsident Felipe Calderon im Mai dazu aufrief, den illegalen Waffenfluss zu stoppen, quittierte man das in Washington mit einem Schulterzucken. Peinlich genug, noch schlimmer ist nur: Das gilt heute als ganz normal.
Übersetzung: Redaktion Originalfassung