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Die Angst vor Europa

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Natürlich ist es grundsätzlich zu hinterfragen, was nationalistische Parteien eigentlich im Europaparlament machen, die genau dieses Europa gar nicht wollen. Noch stärker zu hinterfragen wäre aber, warum diese Parteien derzeit beim Thema Europa so starke Umfragewerte erzielen. Das Unbehagen an dieser Europäischen Union wächst ganz offenkundig, und das ist im Wesentlichen an drei Punkten festzumachen: Europa hat keine befriedigende Antwort auf die Arbeitslosigkeit, ja nicht einmal Kompetenz in dieser Frage. Die Job-Garantie für Jugendliche, so sie überhaupt im Gedächtnis geblieben ist, ist eine politische Hülle.

Zweitens findet Europa keine Linie in der Flüchtlingspolitik - mit grauenvollen Ergebnissen.

Drittens hat Europa unvorstellbare Summen für Banken- und Griechenland-Rettung ausgegeben, und die schiere Zahl (insgesamt vierstellige Milliardenbeträge) entzieht sich der Vorstellungskraft des Einzelnen. Übrig bleibt: Die in Brüssel schmeißen "unser Geld" mit beiden Händen beim Fenster raus.

Die extreme Rechte in Europa befeuert all diese Unsicherheiten und Vorurteile. Das genügt. Ihre Vorschläge wären zwar wirtschaftliches Harakiri, denn Griechenland pleitegehen zu lassen, wäre um vieles teurer geworden. Doch die Politik hat den Boden unter den Füßen verloren. In den USA hat die Tea Party zuletzt auch keine Rücksicht auf die Zahlungsfähigkeit des mächtigsten Landes der Welt genommen.

Warum sollten es dann europäische Parteien tun, beziehungsweise: Warum sollte der EU-Bürger darauf vertrauen, dass EU-Politiker mit einem stabileren Wertefundament ausgestattet sind?

Auch in Europa steigt die Angst, wie es wohl weitergeht, die leise wirtschaftliche Erholung ändert daran gar nichts.

Die extreme Rechte fährt hier in die Parade und beschreibt die "Vereinigten Staaten von Europa" gerne als "Brüsseler Sumpf". Dass deren Abgeordnete in der laufenden Legislaturperiode wenig dazu beigetragen haben, bestehende Mängel zu beseitigen, wird vom knackigen Sumpf-Satz überstrahlt.

Es wird an den großen Parteifamilien der Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen liegen, Europas Bürgern die Angst zu nehmen. Ob die jeweiligen Parteizentralen dazu in der Lage sind, ist offen. Das sollten sie aber, denn Angst in ein schlechter Ratgeber - überall.