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Für die Delegierten am ÖGB-Kongress ist klar: Der Zug in Richtung EU-Erweiterung ist abgefahren. Doch jetzt geht es darum, ihn in die richtige Richtung zu lenken. Das europäische Sozialmodell müsse von den neuen Mitgliedern ebenso wie die Stabilitätskriterien übernommen werden. Die Gewerkschaften Europas wollen nun verhindern, dass ein unsolidarisches angelsächsisches Sozialversicherungsmodell in der vergrößerten Union Usus wird.
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"Europa ist kein Rosengarten, sondern ein defizitäres Projekt." Dies gelte auch für die neue Verfassung, betont Wolfgang Greif, Internationaler Sekretär der GPA. Er bemängelt die fehlende wirtschaftspolitische Koordinierung. "Der Stabilitäts- und Wirtschaftspakt verdient diesen Namen nicht, da er die Beschäftigung nicht berücksichtigt." Ins selbe Horn stößt Tamas Wittich, Chef der größten ungarischen Gewerkschaft MSZOSZ. Die EU benötige eine kohärente Wirtschaftspolitik, welche die Beschäftigung erhöhe. Ungarn hat eine Arbeitslosenrate von 6%. Wittich fürchtet gar, dass diese steigt, da internationale Konzerne, die sich eben in Ungarn niedergelassen haben, wieder abwandern. Trotz allem will seine Organisation Ungarn aus der Position des Billiglohnlandes führen.
Nicht nur in Österreich begegnen die Arbeitnehmer der Erweiterung mit Skepsis. Auch die Franzosen seien beunruhigt, berichtet René Valladon, Präsidiumsmitglied von Force-Ouvriere: "Die Erweiterung wird bei uns als Bedrohung gesehen." Enttäuscht wären die Arbeitnehmer durch nicht eingehaltene Versprechungen vor der Euro-Einführung. Nun hätten sie Angst, dass dasselbe mit den Erweiterungsversprechen - die "große Chance" - drohe. Denn Politiker und Arbeitnehmer hätten die Integration neuer Länder im Auge, doch den Arbeitgebern ginge es nur um Globalisierung im negativen Sinne. Auch kritisiert Valladon, dass die ungerechte Verteilung der Vermögen von den Gewerkschaften nicht mehr angesprochen wird. Und: "Die Gehälter sinken."
Rückendeckung bekommen die Gewerkschaften für ihre Forderung nach öffentlichen Investitionen von der Direktorin der Europäischen Zentralbank, Gertrude Tumpel-Gugerell. Sie betont, es sei nicht wichtig, ob das Defizit 2,8 oder 3% betrage, sondern was "mit den öffentlichen Ausgaben gemacht wird."