Vor 150 Jahren wurde am Schwarzenbergplatz der Hochstrahlbrunnen eingeweiht - ein Projekt mit wechselvoller Geschichte.
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Seine Inbetriebnahme war ein Triumph. Ein monumentales und unübersehbares Zeichen für die Vollendung eines Megaprojekts, das im Vorfeld viel diskutiert und nun - nach bemerkenswert kurzer Bauzeit von nur vier Jahren - erfolgreich abgeschlossen worden war: die Kaiser-Franz-Joseph-Hochquellenleitung. Mit dieser floss erstmals kristallklares Wasser aus dem Gebirge über fast hundert Kilometer nach Wien, und das mit so viel Druck, dass es auch den neuen Brunnen speisen und dort eine Fontäne in bisher ungesehene Höhen treiben konnte.
Man schrieb das Jahr 1873, ein Jahr, dessen Verlauf bisher gar nicht dazu angetan war, Jubelstimmung aufkommen zu lassen. Die im Frühjahr eröffnete Weltausstellung im Prater blieb besuchermäßig weit hinter den Erwartungen zurück, der folgende Börsencrash und der Ausbruch der Cholera dämpften die Stimmung gewaltig, und so war die Fertigstellung der Wasserleitung endlich ein Erfolgsprojekt, das öffentlichkeitswirksam vorgezeigt werden konnte.
Ein geeigneter Standort wurde für den Brunnen gesucht, repräsentativ und nahe am Stadtzentrum, mit dem Potential, zur "Zierde der Residenzstadt" zu werden. Zur Wahl standen der Praterstern, das Areal vor der im Bau befindlichen Votivkirche und der Platz vor dem Palais Schwarzenberg. Die Entscheidung fiel zugunsten des Schwarzenbergplatzes, wo man sogleich - mit finanzieller Unterstützung durch Antonio Gabrielli, dem Generalunternehmer der Wasserleitung - mit der Errichtung begann. Die Pläne lieferte der Bauunternehmer Gustav Bruck, die Ausführung lag in den Händen des städtischen Oberingenieurs Carl Mihatsch, der schon beim Bau der Wasserleitung eine führende Rolle eingenommen hatte.
Genaue Programmatik
Gestaltung und Materialwahl waren innovativ und folgten einer genauen Programmatik: Der aus Beton angefertigte Brunnen bestand aus einem runden Becken, in dessen Mitte eine Felseninsel thronte. Aus dieser sollte die Hauptfontäne emporsteigen, umrahmt von vier niederen, die Jahreszeiten symbolisierenden Wasserstrahlen und 365 kleinen Strahlen am Beckenrand, die für sämtliche Tage des Jahres standen.
Die feierliche Eröffnung war für den 24. Oktober vorgesehen, wobei die Zeremonie ganz auf Kaiser Franz Joseph zugeschnitten war, wie das Protokoll vorsah: "Bei der Allerhöchsten Ankunft Seiner k. und k. Majestät spielen die zu beiden Seiten der Abgangsstiege unterhalb der Terasse aufgestellten Militär-Musikkapellen die Volkshymne. Der Bürgermeister hält an Seine k. und k. Majestät eine kurze Ansprache. Nach dieser Ansprache beginnt unter Musik und Salven der Hochstrahlbrunnen zu spielen. Hierauf richtet der Bürgermeister an Seine k. und k. Majestät die ehrfurchtsvolle Bitte, die auf einem Tische im Zelte bereitliegende Eröffnungs-Urkunde Allergnädigst zu unterfertigen und den Brunnen in der Nähe zu besichtigen."
Als es dann so weit war, hatte sich eine gewaltige Menschenmenge versammelt, die mit dem Kaiser, dem Wiener Bürgermeister Cajetan Felder und dem Geologen Eduard Sueß auf das "neue Wasser" wartete. Die beiden Letzteren galten als Hauptinitiatoren des Projekts und waren dementsprechend besonders gespannt. Alle blickten auf den Brunnen, aus dem in Kürze die Fontäne in den Himmel schießen sollte. Und als sie dies, nach einigen Fehlversuchen, dann auch tat, ging ein Raunen durch die Menge und lautstarker Jubel ertönte.
Das "Illustrirte Wiener Extrablatt": "Eine einzige kolossale Wasserlinie strebt senkrecht nach Aufwärts, wo sie erst in einer Höhe von 184 Fuß, dreimal so hoch als die höchsten Häuser der Umgebung, sich theilt und in einer Reihe von Wasserfällen in das Bassin sich ergießt. Von den die Wassersäule bescheinenden Sonnenstrahlen hervorgerufen, bildet sich ein Regenbogen, der neuerdings den Beifall des Publikums wachruft."
Eduard Sueß hielt in seinen Erinnerungen fest: "Ein vieltausendstimmiger Ruf des Staunens füllte den weiten Raum. Mir schnürte sich die Kehle zusammen." Beeindruckt war auch der Kaiser, der - nachdem er das Wasser gekostet und für ausgezeichnet befunden hatte - bewundernd verkündete, dass dies das größte Werk sei, das die Kommune Wien jemals zustandegebracht hatte. Gebührend wurde der Festakt dann sogleich auf zahlreichen Bildern verewigt. Die Euphorie war so groß, dass selbst der aufkommende starke Wind ihr nur wenig anhaben konnte. Die Höhe der Wassersäule musste gedrosselt werden, um nicht die ganze Umgebung von oben herab zu überschwemmen.
Die zahlreich anwesenden Journalisten berichteten in ihren Zeitungen ausführlich über das Großereignis. Man war sich einig: Wien hatte eine neue Sehenswürdigkeit erhalten, die den Vergleich auch international nicht zu scheuen brauchte. Die berühmten Fontänen in Versailles und Sanssouci schienen gegen die nunmehr "größte Wasserkunst der Welt" geradezu bescheiden zu sein: "Keine Stadt der Welt kann sich eines so effectvollen und brillanten Schmuck- und Schaustückes rühmen. Es ist dies die krystallene Triumphsäule, die sich das ‚neue Wasser‘ zur Erinnerung an seinen mit Jubel begrüßten Einzug in Wien (...) in die Höhe baut. (...) Hoch - höher - am höchsten! Man kann sich kaum großartigere Verkörperungen dieser drei Comparationen vorstellen als Wien sie jetzt an seinen drei modernen Wahrzeichen besitzt: Der Hochstrahlbrunnen - die Rotunde - der verjüngte Stephansthurm!"
Dankbares Sujet
Die regelrecht inflationäre Verwendung des Wortes "hoch" dominierte den Festakt genauso wie die Berichterstattung. Ein Umstand, der auch Kritikern nicht verborgen blieb. Die aufschießende Fontäne wurde zum dankbaren Sujet in Karikaturen - und zum beliebten Motiv auf Ansichtskarten. Bald war sie so bekannt, dass Lokale und Gaststätten am Schwarzenbergplatz bei ihren Werbeinseraten als Ortsangabe "vis-à-vis dem Hochstrahlbrunnen" oder "n. d. Hochstrahlbrunnen" hinzufügten.
Internationale Reisezeitungen reihten ihn ein in die Liste der zu besuchenden Wiener Sehenswürdigkeiten, und auch an musikalischen Referenzen fehlte es nicht. Der Komponist Johann Nepomuk Král widmete dem "Hochstrahlbrunnen" eine gleichnamige Schnellpolka für Pianoforte (op. 44) und Josef Kaulich komponierte den Walzer "Hochquellen" für Pianoforte (op. 132).
Doch die anfängliche Begeisterung war nicht von Dauer. Denn die zu geringen Wassermengen, die die Quellen aus dem Gebirge in den ersten Jahren lieferten, ließen auch den Brunnen regelmäßig versiegen. Jedes Jahr aufs Neue, sodass man sich schließlich in der humoristischen Zeitschrift "Figaro" im April 1877 mokierte: "Wir wollen uns jetzt durch nichts in unserem Jubel stören lassen - in unserem rein menschlichen Jubel darüber, daß nach halbjähriger Pause - der Hochstrahlbrunnen auf dem Schwarzenbergplatz wieder springt!"
Erst mit der Erschließung neuer Quellen und dem Ausbau der Leitung konnte das Problem gelöst werden. Übrig blieb jedoch ein ästhetischer Makel, der angesichts des immer wieder ausgetrockneten Brunnens offensichtlich geworden war. Dieser war ein relativ nüchterner Ingenieursbau und kein Kunstwerk. Überlegungen zu seiner Neugestaltung wurden angestellt, u.a. von den renommierten Bilderhauern Viktor Tilgner und Rudolf Weyr, die in ihren 1886 vorgelegten Entwürfen eine verstärkte bauliche Umrahmung des Wasserspiels vorsahen. Verwirklicht wurde dies jedoch nicht.
Letztlich sollte es noch drei Jahrzehnte dauern, bis es zu einer spektakulären Wiederbelebung des Brunnens kam. Er wurde technisch aufgerüstet und zu einem Leuchtbrunnen ("Fontaine Lumineuse") umgestaltet. Nach Plänen des Architekten Oskar Marmorek, der damit eine vielbewunderte nächtliche Sensation schuf. Bei der Eröffnung im Juni 1906 leuchteten die Hauptfontäne und ihre Nebenstrahlen in allen Farben des Regenbogens. Ein elektrisch betriebenes Hebelwerk schob abwechselnd bunte Glasscheiben vor die insgesamt 27 Scheinwerfer. Das Publikum war begeistert.
Obwohl der weitere Betrieb der Anlage aus Kostengründen nur zeitlich befristet möglich war, hatte Wien damit erneut eine Novität erhalten, die sich sogleich auf Bildern jeder Art verbreitete und den Brunnen wieder positiv ins Bewusstsein der Bevölkerung rief. Nur unverbesserliche Kritiker sprachen auch diesmal polemisch von "Schönfärberei" oder prangerten - wie Karl Kraus - die massiv einsetzende touristische Vermarktung des Leuchtbrunnens an. Der Schriftsteller bekannte in seiner "Fackel" ironisch: "Es war den Amerikanern längst schon bekannt, daß der Niagarafall ein armer Teufel neben dem Hochstrahlbrunnen ist."
Neuer Kontext
Dessen ungeachtet: Das auch international rezipierte Image von "Wien bei Nacht" entwickelte sich in der Folge prächtig und der Hochstrahlbrunnen wurde einer der "Highlights" bei Rundreisen zu diesem Thema.
In der Zwischenkriegszeit erhielt der Brunnen eine Ergänzung, insofern im September 1928 eine Büste von Eduard Sueß nahe dem Becken aufgestellt wurde. Gestaltet vom Bildhauer Franz Seifert, erhielt der international anerkannte Gelehrte endlich auch in Wien ein Denkmal. Dieses trägt die Inschrift "Dem Schöpfer der ersten Wiener Hochquellenleitung, errichtet von seinen Schülern, Freunden und Mitbürgern" und befindet sich, nach einigen Irrwegen, auch heute noch auf dem Platz.
Einen neuen Kontext schuf das im Jahr 1945 eingeweihte "Heldendenkmal der Roten Armee". Allein schon von seiner Größe her dominiert das "Russendenkmal" seither den Anblick des Hochstrahlbrunnens und wendet ihn - durch die jüngsten Kriegsereignisse verstärkt - ins Politische. Schwarzenbergplatz und Hochstrahlbrunnen werden einmal mehr zu einem Ort der Zeitgeschichte. Schon im November 2015 waren die Wasserfontänen im Gedenken an die Terroranschläge von Paris in den Farben Blau-Weiß-Rot erstrahlt. Und die grüne Einfärbung des Brunnenwassers durch Klima-Aktivisten sorgte jüngst erneut für mediale Aufmerksamkeit.
Dass über den Brunnen, 150 Jahre nach seiner Inbetriebnahme, nach wie vor heftig diskutiert wird, widerspiegelt die Bedeutung des Ortes, der alleine schon von seinen Dimensionen her ein politisches Statement darstellt - für Wien, aber auch darüber hinaus.
Peter Payer ist Historiker und Stadtforscher sowie Kurator im Technischen Museum Wien. Im September erscheint sein neues Buch, gemeinsam mit dem Fotografen Johannes Hloch: "Gebirgswasser für die Großstadt. Die Erste Wiener Hochquellenleitung" (Falter-Verlag).