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Die Berichterstattung anlässlich einer Studie des "Pew Research Center", die unlängst für mediale Aufregung sorgte, war tendenziös bis islamfeindlich.
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"Mehrheit der Muslime weltweit für Scharia", so oder so ähnlich lauteten weltweit die Schlagzeilen. Es klang zugleich wie eine Anklage und wie ein Triumph, als ob endlich offiziell bestätigt würde, was man immer schon befürchtet hat. Aber was ist daran überraschend, wenn Muslime für die Scharia sind? Selbstverständlich befürworten die Angehörigen einer Religion ihre Glaubensinhalte.
Man kann die Ergebnisse dieser Studie in Zweifel ziehen, aus mancherlei Gründen, beispielsweise der Repräsentativität. 38.000 Befragte in 39 Ländern, das ergibt pro Land nicht einmal 1000 Interviews. Hinzu kommen die linguistischen Differenzen, die Erhebungen wurden in mehr als 80 Sprachen durchgeführt.
Zwischen Kosovo und Pakistan liegen Welten, wie will man historisch und kulturell so unterschiedliche Gesellschaften mit den gleichen Fragen vergleichend erfassen? Wie verschieden sind bloß die politischen Gegebenheiten in Ägypten (Machtkämpfe zwischen verschiedenen Kräften), Afghanistan (wenige staatliche Strukturen, partikulare Machtzentren), Palästina (Ringen um Eigenstaatlichkeit), Marokko (ein dominanter, aber vielfach geliebter Monarch)?
Dennoch hätte man die Chance nutzen können. Anstatt negative Erwartungshaltungen zu bedienen, hätte man ein wenig in die andere Richtung arbeiten können, um - Zuverlässigkeit der Studie hin oder her - das Verständnis und das Verhältnis zwischen den Religionen zu verbessern.
So wird in 31 von 37 Ländern, in denen die Frage gestellt wurde, mit großer Mehrheit Demokratie der Vorzug gegeben gegenüber einem starken Mann, der das Land führt.
Die Mehrheit derjenigen, die die Scharia zum offiziellen Recht in ihrem Land machen wollen, sind auch der Meinung, dass dieses nur für Angehörige des Islam gelten solle. Damit treten sie für Religionsfreiheit und für den Respekt gegenüber anderen Religionen ein. Und sie befürworten überwiegend, dass Nicht-Muslime ihren Glauben im jeweiligen Land praktizieren dürfen.
Sie fürchten sich, was wenig überrascht, vor extremistischen Gruppen und lehnen mit überwältigender Mehrheit Selbstmordanschläge ab. Und bloß weil sie islamisches Recht befürworten, sind sie nicht zwingend für Körperstrafen im Rechtsvollzug und noch weniger für Todesstrafe bei Apostasie. Und was Geschlechterrollen betrifft, betont eine Mehrheit der Befragten, dass Frauen selbst bestimmen sollen, ob sie ihre Köpfe verhüllen wollen, räumt ihnen das Recht ein, eine Scheidung zu verlangen und ist für eine Gleichbehandlung im Erbrecht.
Die Leute wollen nicht, dass ihre Kinder Christen heiraten? Man ergründe einmal in Österreich, was die Väter und Mütter davon hielten, wenn ihre Töchter und Söhne Muslime und Musliminnen heirateten! Spannende Resultate sind zu erwarten.
So gilt, was leider oft auf Umfragen zutrifft: hoher Unterhaltungswert bei geringem Erkenntniswert. Einige Redaktionen taten wieder einmal ihr Möglichstes, die Islamfeindlichkeit zu pflegen, alle unsere Vorurteile über Muslime zu bestätigen, und nutzten nicht die Chance, einige davon zu zertrümmern.