Grassers Verteidiger Norbert Wess kritisiert in seinem fünfstündigen Plädoyer die Anklageschrift.
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Wien. Er kann wieder lächeln. Karl-Heinz Grasser war am Donnerstag, dem dritten Verhandlungstag im Buwog-Prozess, deutlich besser gelaunt als am Vortag. Am Mittwoch hatte er noch allerlei Vorwürfe der Oberstaatsanwälte mit eisiger Miene über sich ergehen lassen müssen. Zu seiner Verteidigung rückt am Donnerstag nun Norbert Wess, Grassers zweiter Anwalt, aus. Nickend, über manche Sager schmunzelnd, quittiert Grasser die Ausführungen seines Verteidigers.
"Mich hat Ihr gestriges Plädoyer getroffen", sagt Wess gleich zu Beginn mit einem Blick zu den Oberstaatsanwälten Gerald Denk und Alexander Marchart. Die beiden Ankläger hatten Grasser und anderen Angeklagten am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht unterstellt, ein "System der Korruption" aufgebaut zu haben. Der Ex-Finanzminister habe zum Schaden der Steuerzahler in "die eigene Tasche gewirtschaftet", so Denk und Marchart. Kein rechtlicher Vortrag, sondern eine "politische Abrechnung" sei das Eröffnungsplädoyer der Oberstaatsanwälte gewesen. "Sie haben eine Show abgeliefert", kritisiert Wess. Er hingegen wolle nun "Zahlen, Daten und Fakten" präsentieren.
"Anklage nachweislich falsch"
In seinem gut fünfstündigen und detailreichen Vortrag schießt sich Wess vor allem auf die 825 Seiten umfassende Anklageschrift ein: "Sie ist in wesentlichen Teilen nachweislich falsch." Mehrfach seien darin Ermittlungsergebnisse aktenwidrig wiedergegeben und entlastende Ergebnisse verschwiegen worden. Das zeige sich auch in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (OLG) zu den Einsprüchen gegen die Anklageschrift: "Das OLG hat die Anklage kritisiert und zahlreiche Richtigstellungen vorgenommen."
Der Hintergrund: Die Anklage war bereits im Juli 2016 fertig, die Verteidiger beeinspruchten sie beim OLG. Von den vier angeklagten Fakten wurden im April 2017 zwei vom OLG genehmigt: die Bestechungs- und Untreuevorwürfe rund um die Privatisierung der staatlichen Wohnungseigentumsgesellschaften (Buwog und andere Gesellschaften) 2004 und die Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower 2006.
Das Strafverfahren hinsichtlich der Vergabe der Durchführung der Buwog-Privatisierung an die Investmentbank Lehman Brothers wurde hingegen eingestellt. Das vierte Anklagefaktum - es betraf den Vorwurf der mangelnden Erlösmaximierung für die Republik bei der Privatisierung - wurde vom OLG zu weiteren Ermittlungen zurückverwiesen.
"Völlig unglaubwürdig"
Weitere Ermittlungen gegen Grasser - etwa rund um Novomatic, Telekom und das Dorotheum - seien ebenfalls eingestellt worden, sagt Wess. Zu spät, meint der Rechtsanwalt. "Mein Mandant ist beruflich ruiniert. Operation gelungen, Patient tot", sagt er zu den Oberstaatsanwälten.
Trotz der teils markanten Sprüche ist Wess im Vergleich zu seinem Kollegen Manfred Ainedter der Ruhigere, Unaufgeregtere. Nur manchmal, wenn ihn gerade der Enthusiasmus packt, katapultiert sich seine Stimme in sehr hohe Tonlagen. Fast schon im Falsett, wirft er sich dann für Grasser in den Ring.
Mehrere Zeugen, auf die sich die Anklage vor allem stützt, bezeichnet Wess als "völlig unglaubwürdig". Besonders an Michael Ramprecht, einem früheren Kabinettsmitarbeiter von Grasser, arbeitet sich der Verteidiger ab. Ramprecht hatte sich mit dem Ex-Finanzminister zerstritten und in einem "Profil"-Interview die Causa Buwog mit ins Rollen gebracht. Ramprecht habe mehrfach die Unwahrheit gesagt und Sachen erfunden, um "seinen tollen Kriminalroman weiterzuschreiben", meint Wess.
Die Theorie der Ankläger, wonach Grasser mit den Mitangeklagten einen gemeinsamen Tatplan entwickelt habe, sei falsch, sagt Wess.
Die Anklage geht davon aus, dass Grasser, Peter Hochegger, Walter Meischberger und der Ex-Immobilienmakler Ernst Karl Plech sich zusammengeschlossen haben. Gemeinsam habe man geplant, wie man sich bei in der Amtszeit von Grasser anstehenden Privatisierungen bereichern könne. Auch bei dieser Theorie hätten die Oberstaatsanwälte Einvernahmen in der Anklage nicht korrekt wiedergegeben, so Wess.
Die Oberstaatsanwälte scheinen die Vorwürfe relativ gelassen zu nehmen - oder geben das zumindest vor. Mit unaufgeregter Miene sitzen sie meist da. Hin und wieder flüstern sich die beiden etwas zu.
Auch einen weiteren Vorwurf bestreitet Wess. Laut Anklage hat Grasser 500.000 Euro in bar an einen Mitarbeiter der Meinl-Bank übergeben - außerhalb der Öffnungszeiten und ohne einen Beleg zu verlangen. Dadurch wollte er Schmiergeld von Auslandskonten unbemerkt nach Österreich transferieren, so der Vorwurf. "Grasser hat das Geld von seiner Schwiegermutter erhalten, er hat es veranlagt", sagt Wess.
In den nächsten Tagen - und wohl auch Wochen - werden die Anwälte der anderen Angeklagten ihre Plädoyers halten. Am Freitag wird weiter verhandelt.