Richter wirkt oft fast hilflos. | Legitimität des Gerichts bezweifelt. | Bagdad/Hamburg. (dpa) Die Szenen aus dem Gericht sprechen für sich: Saddam Hussein und seine Mitangeklagten rufen wild durcheinander, stehen immer wieder empört auf. Die Anwälte zweifeln die Rechtmäßigkeit des ganzen Verfahrens an, und der Vorsitzende Richter Rizgar Mohammed Amin versucht mühsam, die Kontrolle zu behalten. Oft wirkt er fast hilflos angesichts der Rebellion in seinem Gerichtssaal. Dabei hatte er kurz vor der Wiederaufnahme des Verfahrens einen seiner vier Kollegen verloren. Dieser war vom Gericht zurückgetreten, nachdem er erfahren hatte, dass einer der Angeklagten an der Hinrichtung seines Bruders beteiligt gewesen sein könnte.
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Dominiert wird das Verfahren von dem ehemaligen irakischen Diktator und seinen Verteidigern, darunter der für Provokationen bekannte ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark. Zwar ist Richter Amin entschlossener als in den beiden früheren Verfahrensrunden und schneidet den Anwälten das Wort ab, doch bewirkt dies nur, dass die Verteidiger und ihre Mandanten noch lauter werden. Saddam ruft, er werde das Gericht unter diesen Bedingungen nicht anerkennen. Nach Zwischenrufen von der Bank der Angeklagten, wie "Richtet uns doch gleich alle hin" oder "Lang lebe der Irak", marschieren die Verteidiger, Clark voraus, aus dem Gerichtssaal.
Anwalt setzt sich durch
Es ist eine Machtprobe, und sie erweist sich als erfolgreich. Nachdem Richter Amin zunächst verhindern wollte, dass Clark seine Argumente vorträgt und ihm klargemacht hatte, dass die Amtssprache am Gericht Arabisch ist, darf sich Clark nach der Pause doch äußern - auf Englisch. Nach der Ermordung von zwei Verteidigern fordert er mehr Schutz für die Anwälte. Dies müsse sofort geschehen. Ohne diese Sicherheit könne es kein faires Verfahren geben.
Durch den turbulenten Auftakt rückt der eigentliche Tagesordnungspunkt, die Aussage von Zeugen zu dem Massaker im schiitischen Ort Dujail im Jahr 1982 nach einem gescheiterten Anschlagsversuch auf Saddam, fast in den Hintergrund. Mit seinem Nachgeben gegenüber den Verteidigern erreicht Richter Amin aber, dass das Verfahren fortgesetzt werden kann, und schließlich kommt ein damals 15-jähriger Dorfbewohner zu Wort.
Anschaulich und in Details berichtet er von Massenverhaftungen, grausamer Folter auch an Frauen und Kindern sowie Hinrichtungen. Er sitzt nur wenige Meter von Saddam entfernt, und sagt mit Seitenblick auf den Ex-Diktator, dass er nur die Vorgänge schildern wolle. Er wisse, dass Saddam zwar angeklagt, aber seine Schuld nicht bewiesen sei. Saddam wendet sich an ihn und sagt lächelnd, er solle beruhigt sein und einfach erzählen.