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Die Anwendung des EU-Rechts 2007

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Der XXV. Jahresbericht der Europäischen Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2007) enthält eine Reihe interessanter Feststellungen.


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Gemäß Artikel 211 EG-Vertrag ist die Europäische Kommission Hüterin der Verträge, wacht dementsprechend über die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts und vergewissert sich, dass sich die Mitgliedstaaten gemeinschaftsrechtskonform verhalten.

Zur Dokumentation dieses Zustands gibt sie seit 1982 jährliche Berichte über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts heraus, die mit interessanten Statistiken untermauert sind. Der aktuelle Bestand des Gemeinschaftsrechts setzt sich aus circa 10.000 Verordnungen und mehr als 1700 Richtlinien zusammen, die in den 27 Mitgliedstaaten der EU gleichermaßen gelten. Zur Kontrolle und Erzwingung der korrekten Einhaltung dieser sekundärrechtlichen Vorschriften stehen sowohl politische als auch juristische Verfahren zur Verfügung.

Der vor wenigen Tagen vorgelegte 25. Jahresbericht der Kommission dokumentiert in diesem Zusammenhang sowohl Petitionen an das Europäische Parlament (EP) gemäß Artikel 21 Absatz 1 und 194 EGV als auch Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 226 EGV.

Die Anzahl der an das EP gerichteten Petitionen, für die Informationen von der Europäischen Kommission angefordert werden, hängt von den Anliegen der Bürger ab. Selbst wenn die meisten Petitionen keine Vertragsverletzungsverfahren betreffen oder auslösen, enthalten sie für das EP und die Kommission nützliche Informationen über die Erwartungshaltungen der EU-Bürger. An erster Stelle der Themen der im Jahr 2007 insgesamt an das EP gerichteten 420 Petitionen liegt weiterhin der Umweltschutz mit 146 Petitionen.

Danach kommt mit 89 Petitionen der Themenblock Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, gefolgt von 20 Petitionen zu Fragen betreffend öffentliche Aufträge. Danach folgen ebenfalls 20 Petitionen zur Anerkennung von Ausbildungsgängen (insbesondere von Fremdenführern und Skilehrern) und 15 zu Finanzdienstleistungen. Mit dem Bereich "Recht, Freiheit und Sicherheit" befassen sich mehr als 30 Petitionen: 21 zum Verkehr, 16 zu Steuern und Zollunion (zur indirekten Besteuerung von KfZ und zur doppelten Direktbesteuerung) und 11 zur Landwirtschaft.

Vertragsverletzungs verfahren

Vertragsverletzungsverfahren zerfallen, neben einem informellen Verfahren (sogenannte Paketsitzungen), in ein Vorverfahren (Artikel 226 Absatz 1 EGV) und ein Hauptverfahren (Artikel 226 Absatz 2 EGV).

Zur Einleitung des Vorverfahrens übersendet die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat ein Mahnschreiben samt einer Frist zur Äußerung. Verstreicht diese Frist ungenützt, so gibt die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab und fordert den Mitgliedstaat auf, innerhalb von zwei Monaten die Rechtsverletzung zu beseitigen.

Geschieht dies nicht, leitet die Kommission das Hauptverfahren ein, indem sie Aufsichtsklage erhebt. Bisher konnten 70 Prozent der Beschwerden vor Versendung eines Mahnschreibens, 85 Prozent vor Versendung einer mit Gründen versehenen Stellungnahme und sogar 93 Prozent vor einem Urteil des EuGH abgeschlossen werden.

Ende 2007 bearbeitete die Kommission mehr als 3.400 Fälle von Beschwerden, wobei eine durchschnittliche Verfahrenszeit vom Anlegen der Akte bis zur Anrufung des EuGH von rund 23 Monaten festzustellen war.

Zu einer erneuten Anrufung des EuGH wegen Nichtbefolgung eines seiner früheren Urteile gemäß Artikel 228 EGV kam es bisher in insgesamt 17 Fällen, wobei sich diese im Zeitraum 2006 bis 2007 zu häufen begannen.