Finanzministerium gab 6,7 Millionen Euro im Vorjahr aus. | Faymann & Co. setzen auf das Boulevard-Trio. | Nur Justizressort ist total werbe-abstinent.
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Wien. Josef Pröll hat 2010 für rund 6,7 Millionen Euro Propaganda in eigener Sache gemacht: Der frühere Finanzminister entfachte damit den stärksten Werbe-Wind aller Regierungsmitglieder. Eine gewisse Zuneigung zur elitären "Financial Times" ist ihm im Nachhinein ebenso wenig abzusprechen wie zu den heimischen Boulevardblättern "Krone" und "Österreich" sowie der Gratispostille "Heute". Prölls Leute bedachten aber gelegentlich auch unzählige weitaus weniger spektakulärere Publikationen wie etwa die Zeitschrift des Seniorenbundes.
Regierungschef Werner Faymann landete auf Rang zwei (siehe Tabelle): Das Kanzleramt gab 2010 fast 4,4 Millionen Euro für Werbezwecke und Kampagnen in rot-weiß-roten Medien aus. Dieser Betrag wurde für "Inseratenschaltungen, redaktionelle Beiträge , Kosten für Medienkooperationen" etc. aufgewendet, um Themen wie "Digitales Österreich" oder "E-Government" zu vermarkten.
Obendrein meldete sich der Bundeskanzler etwa anlässlich des Tags der offenen Tür in den Ministerien beziehungsweise zum Jahreswechsel medial zu Wort. Dies sei, heißt es in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des damaligen FPÖ-Abgeordneten Werner Königshofer, "zielgruppenspezifisch und dem Informationsbedürfnis der ÖsterreicherInnen Rechnung tragend" geschehen.
Opposition kritisiert "Partei-Propaganda"
Das Geld wurde an ein breites Spektrum an Medien verteilt, das vom Massenblatt "Krone" bis zur weithin unbekannten jüdischen Zeitschrift "David" reichte. Die Kriterien Zielgruppenaffinität und Reichweite sollen bei der Vergabe der Orders besonders berücksichtigt worden sein. Anders formuliert: Die drei auflagenstarken Boulevardblätter ("Heute", "Krone", "Österreich") wurden automatisch bevorzugt behandelt.
Die seit kurzem vorliegende schriftliche Beantwortung von zwei parlamentarischen Anfragen durch sämtliche Regierungsmitglieder sorgt jedenfalls - mehr oder minder - für Transparenz. Ein monatelanges Aufreger-Thema - diverse Verleger hatten sich über die ihres Erachtens willkürliche Bevorzugung der drei genannten Zeitungen echauffiert und das mit 1. Jänner 2012 geltende Medientransparenzgesetz initiiert - kann damit vorerst ad acta gelegt werden.
Jetzt steht zumindest fest, dass sich die rot-schwarze Koalition die PR-Arbeit im Vorjahr netto 35,6 Millionen Euro kosten ließ. Obwohl das etwas weniger als 2009 war, wurde die Regierung dafür heftig kritisiert. Zum einen, weil letztlich die Sinnhaftigkeit so mancher Werbebotschaften nicht immer erkennbar ist und derartige Initiativen gerne als Partei-Propaganda eingestuft werden. Und zum andern, weil die laut dem BZÖ-Abgeordneten Gerald Grosz "sinn- und erfolglose Selbstbeweihräucherung" der Politiker "Krone", "Heute" und "Österreich" massiv bevorzuge.
Die oppositionellen Kritiker wollen nicht kapieren, warum etwa der Lebensminister diverse Inserate in mehr als 70 Titeln verbreiten lässt, darunter in "Lust aufs Land" oder "Welt der Frau". Wo doch Nikolaus Berlakovich großen Wert auf die Klarstellung legt, dass es sich dabei "nicht um Werbung, sondern um Informationsarbeit" handle. Auch seine Regierungskollegen halten es - mit Ausnahme der ausgeschiedenen Justizministerin - für unumgänglich, mit Steuermitteln PR-Arbeit für ihre Ressorts zu betreiben: In-frastrukturministerin Doris Bures etwa lagen die Themen Verkehrssicherheit und Forschung besonders am Herzen, die in mehr als 20 Printmedien transportiert wurden.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer wiederum meldete sich mit Inseraten zu Themen wie "Armut in Österreich" oder "Die Lehre bringt’s" zu Wort. Das meiste (eine halbe Million Euro) steckte er aber in Einschaltungen zur "Bedarfsorientierten Mindestsicherung". Unterrichtsministerin Claudia Schmied investierte in die Infokampagne "Heimat bist du großer Söhne und Töchter" 560.000 Euro für Print und 120.000 für TV. In "Österreich" thematisierte sie um zigtausende Euro etwa die Berufsmatura oder die Bauoffensive für moderne Schulen.
Auch Mini-Magazine naschen mit
Gesundheitsminister Alois Stöger beglückte mit seiner Anti-Rauch-Kampagne rund 30 Printmedien und zahlte obendrein dem ORF für einen Aids-Spot 80.000 Euro. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek waren Inserate zur Väterkarenz in 25 Medien 430.000 Euro wert.
Der Geldregen bereitete zum einen auch diversen Agenturen Freude, die 2010 im Einzelfall bis zu 700.000 Euro an Honoraren kassieren durften. Zum anderen kam das Mitteilungsbedürfnis der meisten Ressorts primär dem von ihnen favorisierten Trio "Krone", "Heute" und "Österreich" zugute.
Vor allem der Kanzler erwies sich für diese Blätter als erstklassiger Werbekunde, aber auch ÖVP-Minister outeten sich - mit Ausnahme von Michael Spindelegger und Reinhold Mitterlehner - als Förderer des Boulevards. Der Wirtschaftsminister indes investierte lieber in Medienkooperationen mit "Presse", "Standard" oder "News", für die pro Aktion bis zu 60.000 Euro lockergemacht wurden. Auch die Austria Presse Agentur kam nicht zu kurz: Sie erhielt von vier Ministerien für die Plattform "APA ZukunftWISSEN" jeweils 60.000 Euro.
Auch für eher unscheinbare Printmedien fiel immer wieder einiges ab: Das Sozialministerium war etwa in "Augustin", "Die bunte Zeitung" und "Megaphon" vertreten. Mit spektakulären Beträgen durften diese Medien aber nicht rechnen. Das Finanzministerium hat unter Josef Pröll wiederum etwa Inserate im Magazin "Biber" und in der Zeitschrift "Illustrierten Neue Welt" geschalten.
Die Anzeigen-Flut ist im Moment, offenbar aufgrund der massiven Kritik, etwas schwächer geworden: Im ersten Halbjahr 2011 haben die meisten Ministerien ihre Ausgaben für PR-Arbeit leicht zurückgefahren. Ein Ressort gibt dennoch kräftig Gas: Die neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner investierte heuer bereits 3,5 Millionen in die Selbstdarstellung ihres Hauses und wird alle Regierungskollegen am Jahresende mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Schatten gestellt haben.