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Das Ansehen der USA in der islamischen Welt ist auf dem Boden. Um das Vertrauen zurückzugewinnen, muss mehr getan werden, als die US-Soldaten aus dem Irak abzuziehen. | "Auf der Straße oder im Graben?" Als ich vor 30 Jahren über Lohnverhandlungen schrieb, war das die Frage, durch die wir herauszufinden versuchten, wie es steht. Letztes Wochenende ist mir diese Redewendung wieder eingefallen, bei einer in Doha abgehaltenen Konferenz über die Beziehungen der USA zur muslimischen Welt, konfrontiert mit einer endlosen Serie negativer Darlegungen.
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Fest steht: Im Nahen Osten sind wir im Graben. So schlimm Ihnen das alles in den Medien erscheinen mag - es ist viel schlimmer. Und es ist nicht nur der Irak, sondern es sind mittlerweile die gesamten Beziehungen der USA mit der arabischen Welt.
Die Araber sind nicht nur wütend auf die USA - das waren sie schon, als ich vor 27 Jahren das erste Mal hier war - sondern sie haben Amerika abgeschrieben: Sie glauben nicht mehr, dass die USA zu guten Entscheidungen fähig sind, Probleme lösen und aufrichtige Vermittler sein können.
Eine Umfrage, die bei der Konferenz von Shibley Telhami präsentiert wurde, einem Professor von der Universität Maryland, untermauert den Eindruck. Durchgeführt wurde sie in sechs Ländern, die alle als USA-freundlich gelten, nämlich in Ägypten, Jordanien, Libanon, Marokko, Saudi-Arabien und den Arabischen Emiraten. In diesen Ländern, bei unseren Freunden also, haben nur 12 Prozent eine positive Haltung zu den USA. Die amerikanische Führung hat die Führung Israels als Objekt des Zorns überholt. Befragt, welche Politiker sie am wenigsten mögen, wählten 38 Prozent George Bush, vergleichsweise magere elf Prozent stimmten für Ariel Sharon und nur sieben Prozent gaben Ehud Olmert ihre Stimme.
Die Umfrage bestätigt auch ein tiefes Misstrauen in die Motive der USA: 65 Prozent glauben nicht, dass Demokratie tatsächlich das Ziel der USA im Nahen Osten ist. Und gefragt, welche Länder über die meiste Freiheit und Demokratie verfügten, antworteten nur 14 Prozent mit USA. Vorgezogen wurden Frankreich und Deutschland. Und nur zur Erinnerung: Das sind Amerikas Freunde.
Während der Konferenz kleideten dann die einzelnen Sprecher diese Zahlen auch in Worte. Scheich Yusuf al-Qaradawi, ein temperamentvoller sunnitischer Prediger und Stammgast beim arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera, kritisierte vor allem das dominante Verhalten der USA. Die Muslime hätten ihr Vertrauen in die USA endgültig verloren, sagte er.
Ähnlich äußerte sich auch der keineswegs so offen gegen die USA eingestellte Führer der arabischen Liga Amr Moussa: Die Araber hätten das Vertrauen in die USA als Friedensstifter verloren, sagte er.
Man muss nicht unbedingt (und nicht in allen Punkten) der Meinung all dieser Kritiker sein, um zu sehen, dass ihr Zorn zu einem ernsten Problem für die Sicherheit der USA angewachsen ist. Genau das scheint aber Präsident Bush nicht zu verstehen, wenn er noch mehr Truppen in den Irak schickt und die Konfrontation mit dem Iran sucht. Es handelt sich nämlich nicht nur um eine Minderheit in der arabischen Welt, die das Handeln der USA stört: Es stört mittlerweile fast jeden.
Um aus dem Graben zu kommen, müssten die USA die Irakpolitik ändern, und zwar dringend. Das heißt allerdings nicht, alle US-Soldaten sofort abzuziehen, wie manche Demokraten in Washington es verlangen. Ich habe bei der Konferenz in Katar kaum Menschen getroffen, die einen Sinn in einem sofortigen Truppenabzug sehen. Die Irakpolitik ändern heißt zum Beispiel, auch die Nachbarn mitreden zu lassen und dann mit den Irakern einen Zeitplan für einen geordneten Rückzug der US-Truppen auszuhandeln.
Übersetzung: Hilde Weiss