Auf den ersten Blick scheinen die Fronten noch die alten: In Ägypten wird ein großer Festakt zum 50. Jahrestag der Verstaatlichung des Suezkanals abgesagt, weil der Libanon "Opfer einer israelischen Militäraggression" geworden ist. Präsident Hosni Mubarak fordert einen sofortigen Waffenstillstand ebenso wie sein syrischer Kollege Bashar al-Assad oder der irakische Premier Nuri al-Maliki. Eine arabische Einheitsfront gegen Israel also?
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Vor einer Woche, unter dem ersten Schock des Libanon-Krieges, sah Ägypten auf einer Außenministersitzung der Arabischen Liga noch eine Mitschuld von Hamas und Hisbollah an der Eskalation im Nahen Osten. Saudi-Arabien warnte vor "Abenteuern", ohne Schuldige zu benennen. Die Vorsicht dieser beiden Regime beruht auch, aber nicht nur auf der Rolle, die sie als die wichtigsten Verbündeten der USA in der Region spielen. Noch mehr als deren Missfallen fürchten sie aber innenpolitische Konsequenzen.
Die Hamas im Gaza-Streifen hat ihre Wurzeln in den ägyptischen Moslembrüdern, die trotz Repressionen bei den Wahlen gegen Mubarak einige Erfolge erzielten. Der Präsident fürchtet, Hamas-Erfolge könnten den Islamisten im eigenen Land weiteren Zulauf bescheren.
Ähnlich ist die Situation in Saudi-Arabien, in dessen Hassa-Provinz am Golf eine schiitische Minderheit lebt. Der Kampf der schiitischen Hisbollah-Miliz im Südlibanon könnte also auch auf das wahabitisch-sunnitisch dominierte Königreich zurückschlagen, in dem es ohnehin immer wieder zu Scharmützeln mit Al-Kaida-Anhängern kommt.
Eine Distanzierung von Hamas und Hisbollah verstärkt freilich genau den Effekt, den diese Staaten fürchten. Weil sie als Solidarisierung mit den "Zionisten" verstanden wird, könnten dadurch erst recht Unruhen gegen die ungeliebten Regierungen entstehen. Schon wird in Kairo gegen den "Verräter" Mubarak demonstriert.
Israel wird nach wie vor als Feind empfunden, vor dem die konfessionellen Differenzen des Islam verblassen. Seit Jahrzehnten wird in allen arabischen Staaten zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk aufgerufen. Sogar in den entfernten, westlich orientierten Vereinigten Arabischen Emiraten werden Spenden für die bedrängten "Brüder" gesammelt.
Der Iran unter seinem ultra-religiösen Führer Mahmud Ahmadi-Nejad hat es geschickt verstanden, die anti-israelischen Ressentiments in der Region auszunutzen. Da er auch im Irak nach der US-Invasion an Einfluss gewonnen hat, ist er zum wichtigen Machtfaktor in der Region geworden. Zudem stellt er sich im Atomstreit beharrlich gegen den Westen.
Teheran hat sich damit einen Ruf als einziger konsequenter Vorkämpfer des Islam eingehandelt. Wenn demnächst US-Außenministerin Condoleezza Rice in den Nahen Osten kommt, bleibt den konservativ-gemäßigten arabischen Regimen bestenfalls die undankbare Rolle von Ratgebern und Vermittlern.