Dubai contra Abu Dhabi: Die Megacitys am Persischen Golf. | Bauboom ergänzt den Ölreichtum ideal. | Dubai/Abu Dhabi. Derzeit ist er 629 Meter hoch. Bei der Fertigstellung im nächsten Jahr wird der Burj Dubai auf 818 Meter und 162 Stockwerke gewachsen und der höchste Wolkenkratzer der Welt sein. Das spektakulärste Megaprojekt in der arabischen Millionen-Metropole Dubai (betont wird auf -ai, sonst heißt es "Heuschrecke") überragt rund 80 weitere Gebäude, die sich mindestens 200 Meter hoch in den Himmel strecken, großteils aber noch gar nicht vollendet sind.
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Sollte ein auf 1050 Meter und 228 Etagen angelegtes Bauvorhaben namens Al Burj realisiert werden, wird sich der Burj Dubai die Show nicht stehlen lassen: Der Herrscher von Dubai, der alle Bauprojekte persönlich genehmigt, hat sich vorbehalten, das Wahrzeichen einfach aufzustocken, sollte jemand versuchen, es zu übertrumpfen.
In keiner anderen Stadt der Welt sind seit dem Jahrtausendwechsel mehr architektonische Monströsitäten entstanden als im zweitgrößten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).
Das berühmteste Fotomotiv ist das Sieben-Stern-Hotel Burj Al Arab, das 321 Meter misst - mehr als jeder andere Luxuswohntempel. Derzeit ist in Dubai jeder vierte weltweit im Einsatz befindliche Kran zu finden, und diese Massenansammlung prägt das Panorama.
Im Jahr 2015 wird es nirgendwo am Globus (inklusive New York) so viele Gebäude mit mehr als 100 Etagen geben. Sie werden fantasievolle Namen wie Pentominium, Princess Tower oder Marina 101 tragen und stolze Symbole für ein faszinierendes Wirtschaftsmärchen aus tausendundeiner Nacht sein.
Eine Boom-Town im endlosen Höhenflug
Das extravaganteste Wirtschafts- und Handelszentrum des Nahen Ostens mutet schon jetzt verrückt an und kennt keine Grenzen: Dubai (übersetzt: "Treffpunkt") erinnert mit seiner glitzernden Skyline an Hongkong und Singapur ebenso wie an Las Vegas.
Die vom Greek, einem elf Kilometer langen Meeresarm, geteilte Hauptstadt des 3885 Quadratkilometer großen Wüstenemirats Dubai versucht, alle anderen Metropolen mit der Vision zu übertrumpfen, der ideale Mittelpunkt für jene Ströme von Geld und Produkten sowie Menschen und Informationen zu werden, die in dieser globalisierten Welt unentwegt rotieren.
Die fünftgrößte Freihandelszone der Welt, die Jebel Ali Free Trade Zone, wo Investoren eine für fünfzig Jahre garantierte Steuerfreiheit genießen, der neuntgrößte internationale Containerhafen und das liberale Wirtschaftsumfeld haben 900 internationale Konzerne angelockt. Die Ölvorkommen bringen dem Emirat nicht einmal mehr zehn Prozent seiner Einnahmen - im Sinne von Diversifizierung dreht sich nun alles um Bauwirtschaft, Tourismus, Finanzwesen, Informationstechnologie und neuerdings auch alternative Energien.
Dubai, dessen Erdölreserven 2030 versiegt sein könnten, liefert sich mit der Hauptstadt der Emirate, Abu Dhabi, ein Duell um die Nummer-Eins-Position in einem Staatenbund, der flächenmäßig nicht ganz so groß ist wie Österreich, beim Pro-Kopf-Einkommen allerdings weltweit ganz vorne liegt.
Abu Dhabi, die auf einer Insel gelegene, eine Million Einwohner zählende Metropole des gleichnamigen Scheichtums, schwimmt seit 1962, als erstmals Öl exportiert wurde, in Geld. Heute sitzt der 67.340 Quadratkilometer große Wüstenstaat auf 94 Prozent der emiratischen Ölreserven. Abu Dhabi, der auf einer riesigen Insel gelegene Regierungssitz der VAE, ist in einem halben Jahrhundert vom Fischerdorf zu einer der wohlhabendsten Städte geworden. Und präsentiert sich im Gegensatz zum chaotischen Dubai als exakt geplante Metropole. Das Stadtbild wird geprägt von spektakulären architektonischen Meisterwerken.
Ein Blick auf das prunkvolle Emirates Palace, ein Luxushotel der Superklasse mit 115 goldenen Kuppeln, ist für Touristen ebenso Pflicht wie die prächtige Corniche, die ultramodernen Shoppingmalls oder die zweitgrößte Moschee der Welt, in der 40 Tonnen Gold verarbeitet wurden. Insgesamt gibt es in der Stadt 300 Moscheen sowie 20 Parkanlagen.
In Abu Dhabi (was "Vater der Gazelle" bedeutet), ist der gigantische Investitionsboom praktisch überall spürbar - und sein Ende ist nicht abzusehen: Auf der künstlichen Insel Saadijat, der "Insel des Glücks", entsteht eine Museumsstadt mit knapp 30 Hotels, drei Häfen - und einem Kunstparadies für Touristen: Neben dem gerade entstehenden Guggenheim Museum Abu Dhabi soll sich ab Ende 2012 ein vom französischen Original inspirierter Louvre als Publikumsmagnet etablieren, wo auf 24.000 Quadratmetern laufend ein paar hundert Exponate aus Paris zu sehen sein werden. Der Scheich wird hiefür umgerechnet 400 Millionen Euro Leihgebühr berappen.
Auch die Industrie hat höchste Priorität: Auf einer Fläche von 300 Quadratkilometern werden in den nächsten sieben Jahren 30 Cluster aus dem Boden gestampft: Metalle, Chemie, Nahrungsmittel, Möbel, Automobile. Der Tourismus wird trotz glühender Temperaturen mit allen Mitteln angekurbelt: 2010 sollen allein in Dubai 15 Millionen Touristen Ferien machen.
Nur der Superlativ ist gerade gut genug
Die Regisseure des Duells Dubai gegen Abu Dhabi sind zwei steinreiche Herren, die nach außen kongeniale Partner, in Wahrheit aber ehrgeizige Kontrahenten sind: Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahyan (60) fungiert seit November 2004 als Präsident der Vereinigten Emiratischen Emirate und steht dem dank der Erdölvorkommen mit Abstand reichsten Emirat Abu Dhabi als Erb-Emir und Premierminister vor.
Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum (59) wiederum ist VAE-Vizepräsident, zugleich Premierminister und obendrein (seit Jänner 2006) Herrscher von Dubai. Während Khalifa, ein fanatischer Fan von Kamelrennen, auf ein Privatvermögen von 20 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, gilt der Rennpferde-Sammler Mohammed als gut und gern 16 Milliarden US-Dollar schwer. In beiden Fällen ist es fast unmöglich zwischen Privatvermögen, Familieneigentum und dem Besitz staatlicher Institutionen, etwa Investmentfirmen, zu unterscheiden.
Sicher ist: Beide Herrscher zählen zur Crème de la Crème des Geldadels. Beide bewohnen mehrere Paläste, für die absolutes Fotoverbot gilt. Beide lieben den Personenkult und stellen ihren Reichtum protzerisch zur Schau. Nur der Superlativ ist gut genug: In Dubai wird demnächst DubaiLand, der größte Freizeitpark der Welt, eröffnet - mit dem Dubai Wheel (dem größten Riesenrad der Welt), dem Hotel Asia-Asia im Stadtteil Bawadi (dem größten Hotel der Welt) und der Mall of Arabia, die das allergrößte Einkaufszentrum der Welt sein wird.
Ein anderes Megaprojekt ist Dubai Marina, ein hypermoderner Stadtteil für 100.000 Menschen, die in einer völlig vernetzten High Tech-Metropole wohnen werden. Auf einer vor der Küste im Meer aufgeschütteten Palmeninsel (Palm Island) wird Atlantis Dubai eröffnet, ein Luxushotel mit 2000 Zimmern.
Die künstliche Inselgruppe The World Dubai wiederum hat die Form der Weltkarte: Man kann dort ein Ferienhaus neben David Beckham erstehen. Sofern man das nötige Kleingeld besitzt.
Wissen: Die sieben Wüsten-EmirateSieben autonome Emirate haben sich 1971/72 zu einer Föderation zusammengeschlossen: Abu Dhabi, das flächenmäßig größte, Dubai, Sharjah, Ajman, Fujeirah, Umm al-Qaiwain und Ras als-Khaimah bilden seither die Vereinigten Arabischen Emirate. Die sieben Emire sitzen im Obersten Rat, der das Staatsoberhaupt bestimmt (derzeit Scheich Khalifa, Emir von Abu Dhabi). Der Präsident ernennt den Regierungschef (derzeit der Emir von Dubai, Scheich Mohammed) und den Ministerrat. Ein allgemeines Wahlrecht gibt es nicht, politische Parteien sind nicht zugelassen, Medieninformationen werden per Zensur kontrolliert.
Fast fünf Millionen Einwohner leben in den Emiraten, wovon rund 75 Prozent Gastarbeiter sind - aus Pakistan, Indien, Bangladesch oder Afghanistan. Deren Einbürgerung ist nicht vorgesehen: Sie verdienen relativ wenig, und wenn sie den Job verlieren oder das Rentenalter erreicht haben, läuft einfach ihre Aufenthaltsgenehmigung ab, und sie werden heimgeschickt.
Die Emirati hingegen, überwiegend sunnitische Moslems, gelten als wohlhabend und profitieren vom dynamischen Wirtschaftswachstum (2006 waren es 16 Prozent).
Der wirtschaftliche Aufschwung basiert auf der Erdöl- und Erdgasförderung: Die Rohölvorräte der Emirate machen rund 10 Prozent der Weltreserven und 15 Prozent der Opec-Reserven aus. Seit Jahren setzt man allerdings auf andere Wirtschaftszweige, um sich von den Öl-Einnahmen unabhängig zu machen.
Abu Dhabi und Dubai diktieren dabei das Tempo: Ganze Stadtteile werden am Reißbrett entworfen und die verwegensten Projekte realisiert.