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Die Armee bestimmt die Zukunft

Von Georg Friesenbichler

Politik

Streitkräfte sind Staat im Staate. | Beliebt in der Bevölkerung. | Kairo/Wien. Die Soldaten wurden umarmt und geküsst. Quasi im Gegenzug erlaubten sie Demonstranten, auf den Panzern mitzufahren. Die ägyptische Armee ist wohlgelitten in der Bevölkerung.


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Das hat nicht nur damit zu tun, dass sie gegen die Plünderer vorging, als die Polizei von den Straßen verschwand. Sie profitiert wie viele Heere im Nahen Osten auch von der gesetzlichen Regelung, die im Großteil Europas abgeschafft oder heftig umstritten ist: von der Wehrpflicht. Jede Familie hat einen schlecht bezahlten Rekruten in ihrem Umfeld, die einfachen Soldaten sind daher näher am Volk als die Polizisten, die stets brutal gegen Demonstranten vorgegangen sind.

Die Führung der Armee allerdings galt bisher als Stütze des Mubarak-Regimes. Schließlich war Präsident Hosni Mubarak einst selbst Luftwaffenchef, ebenso wie der neue Premier Ahmed Shafiq. Dennoch laufen auf Kairos Straßen Spekulationen um, ob es nicht die Armee ist, die insgeheim an Mubaraks Sessel sägt. Dem Vernehmen nach nimmt sie dem 82-Jährigen übel, dass er an der Macht festhält und seinen Sohn Gamal als Nachfolger aufbauen will. Gamal Mubarak hat im Gegensatz zu den vier Präsidenten, die Ägypten seit dem Sturz der Monarchie 1952 regierten, keinen militärischen Hintergrund, was die Armee mit Misstrauen erfüllt. Laut der Enthüllungsplattform Wikileaks schrieb der US-Botschafter in Kairo 2007 nach Hause, dass die Armee das entscheidende Hindernis für die Kür Gamals zum Präsidenten sein könnte.

Den Streitkräften fehlt es nicht an Einfluss, um über das Schicksal des Landes bestimmen zu können. Sie sind nicht nur mit rund 470.000 Soldaten und ebenso vielen Reservisten die größte Armee Afrikas, sie haben unter Mubarak auch ein eigenes Wirtschaftsimperium aufgebaut, das in der ägyptischen Ökonomie eine bedeutende Rolle spielt. Neben Rüstungsfirmen gehören etwa auch Betriebe der Lebensmittelindustrie dazu. Auch beim Straßenbau oder im Tourismus kommen Armeefirmen zum Zug und werden dabei oft durch staatliche Monopolisierung gestützt. Pensionierte Offiziere bekamen hohe Posten in Staatsfirmen.

Druck aus den USA

Jede künftige Regierung wird somit auf die Interessen der Armee Rücksicht nehmen müssen - wobei im Dunklen liegt, ob das Militär als Ganzes operiert oder ob es Differenzen zwischen den Teilstreitkräften gibt. Momentan kommuniziert man nach außen jedenfalls einen Kurs, der gegenüber den Demonstranten Neutralität wahren will.

Zu dieser Haltung könnten Mahnungen der USA beigetragen haben. Schließlich ist gerade die Armee den Amerikanern verpflichtet: 1,3 Milliarden Dollar an Militärhilfe fließen jedes Jahr nach Ägypten, viele Offiziere sind in den USA ausgebildet worden. Und Generalstabschef Sami Hafiz Anan war erst kürzlich auf Besuch in Washington - er musste die Visite wegen der Unruhen in der Heimat vorzeitig beenden.