Auch wenn Flugreisen viel von ihrem Nimbus verloren haben, sind die Rahmenbedingungen für einen Neustart jetzt günstig. Eine Ticketuntergrenze wird dabei kaum durchsetzbar sein.
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Die Übereinkunft vom 8. Juni mit der Deutschen Lufthansa hat die Bundesregierung dem Ziel näher gebracht, den Bestand der Austrian Airlines zu sichern und die Wiederaufnahme der Flüge zu ermöglichen. Die Lufthansa steht vor dem Marktwiedereintritt auch aller ihrer nationalen Tochtergesellschaften - neben der AUA sind das noch die Swiss und die Brussels Airlines. Es waren schwierige Verhandlungen und ein Erfolg der Bundesregierung, wenngleich der schriftliche Vertrag, auf den es letztlich ankommt, der Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Allein, dass die Lufthansa selbst 150 Millionen Euro in noch unbekannter Form zuschießen wird, ist beachtlich. Damit reduziert sich die österreichische Förderung auf 450 Millionen Euro (150 Millionen Euro direkter Zuschuss und 300 Millionen Euro an staatlich besicherten, doch zurückzuzahlenden Krediten von Wiener Banken). Dass die EU-Kommission noch zustimmen muss, kann, wie wir seit der Staatshilfevereinbarung der deutschen Bundesregierung mit der Lufthansa Ende Mai wissen, noch zu Bedingungen führen.
Betriebskosten je Flugstunde um ein Drittel geringer
Die brancheninternen Rahmenbedingungen für einen Neustart der AUA sind jetzt günstig: Das aktive Personal der AUA hatte den Ernst der Lage verstanden, und der Vorstand konnte Einsparungen vereinbaren, die Lizenzen der Piloten und der Warte sind noch gültig, die Kredite werden zu niedrigen Marktbedingungen verzinst sein, der Kerosinpreis ist auf einem historischen Tiefstand, und sowohl der Flughafen Wien wie die Austro Control und die Europäische Flugsicherungsorganisation (Eurocontrol) stunden Flughafen- wie Flugsicherungsgebühren.
Die Betriebskosten je Flugstunde werden damit um mehr als 30 Prozent geringer als noch zu Jahresanfang. Doch wie lange werden diese Vorteile bleiben? Wenn bis zum Jahresende weltweit der Luftverkehr wieder einsetzen wird, wird auch die Nachfrage nach Flugbenzin steigen und damit sein Preis. Die erwähnten Gebühren sind rechtlich fixiert und nur gestundet, sie müssen also letzten Endes gezahlt werden. Und wer eine "Bevorzugung" unserer Fluglinie andenkt, dem muss entgegnet werden, dass eine solche völkerrechtlich verboten ist - wenn ausländische Luftfahrtunternehmen nicht dieselbe Vergünstigung erhalten, können (und werden) sie dagegen klagen und Gleichbehandlung erreichen. Der Wettbewerb wird bald wieder einsetzen. Wenn für die Ticketpreise eine Untergrenze eingezogen wird - eine hehre Idee der österreichischen Bundesregierung -, wird dies die Wiedereinführung der vor dreißig Jahren abgeschafften Preiskontrollen bedeuten und international kaum durchsetzbar sein.
All dies könnte den Wiederaufstieg der AUA zwar behindern, doch müsste ihn nicht verhindern. Entscheidend wird für einen "Phönix aus der Asche" aber sein, ob es genügend Fluggäste von und nach Wien geben wird, die wieder fliegen dürfen/wollen/müssen: Nur wenn die Nachfrage nach Flügen, wohin auch immer, steigt und etwa das Niveau von 2018 erreicht (abfliegende und ankommende zusammen gut 80.000 Fluggäste täglich in Wien-Schwechat, Marktanteil der Lufthansa-Gruppe 45 Prozent), kann der Business Case, der hinter der Rettung der AUA steht, aufgehen.
Lücke zwischen öffentlicher Meinung und Luftfahrt
Der Flugpreis ist dabei ein Faktor, doch für die Nachfrage viel wichtiger ist die Bereitschaft, Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit, wieder zu fliegen. Und hier klafft zwischen der öffentlichen Meinung und jener der Luftfahrt eine ziemliche Lücke: Europaweit erkannte man in den vergangenen Wochen in internationalen Unternehmen, dass man auch ohne wöchentlichen Besuch der Kunden, Lieferanten, Tochterfirmen und -fabriken zusammenarbeiten, planen und Geschäfte machen kann. Auch im rund 50 Prozent umfassenden touristischen Passagiersegment wird das Fliegen unbequemer - wenn sich vor einem Interkontinentalflug 300 Passagiere am Gate im Corona-gerechten Abstand anstellen, ist die Schlange 600 Meter lang, und die Maskenpflicht verdammt uns weiter stundenlang zu gehemmtem Schnaufen. Relativ unbeeinträchtigt dürfte bei den Passagierströmen nur der "Ethnic Travel" bleiben, also der Besuch von Verwandten, fürs Studieren im Ausland, doch ist dieses Segment das kleinste.
Die Geschäftsmodelle der Luftfahrtunternehmen gehen davon aus, dass 2023 das Passagier- und Profitniveau von 2018 wieder erreicht sein und danach, nach Weltregionen unterschiedlich, weiter wachsen wird. Doch Flugreisen haben viel von ihrem Nimbus verloren. Zur Umweltschutzbewegung ist nun die Corona-Krise gekommen. Während nach früheren Krisen die Luftfahrt recht schnell zu den gewohnten jährlich 4 bis 6 Prozent Passagierzuwachs zurückgekehrt ist, könnte es diesmal anders kommen. Die Ticketpreise werden steigen, die Reduktion der Emissionen bleibt bescheiden, und - dies vor allem - manches "Wohin" des Fliegens wird bis zur Verfügbarkeit von effektiver Corona-Prophylaxe von medizinisch-sanitären Unwägbarkeiten, ja Furcht dominiert bleiben.