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Kriminelle Machenschaften dürfen nicht verschwiegen werden. | Bei Pflichtverstoß droht Haft. | Wien. Was haben die Wirtschaftskriminalfälle Enron, Parmalat und Bawag gemeinsam? In deren Kern ging es um Bilanzbetrug in Verbindung mit der Ausschaltung interner Kontrollmechanismen, wodurch Managementfehler oder sogar kriminelle Handlungen des Managements verschleiert wurden.
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Um solche Machenschaften zu verhindern oder zumindest aufzudecken, soll der Abschlussprüfer die Geschäfte unter die Lupe nehmen. Durch seine Tätigkeit soll die Wahrscheinlichkeit minimiert werden, dass Aufsichtsorgane von der die Geschäftsleitung mangelhaft informiert oder sogar angelogen werden und daher ihre Kontrollaufgabe nicht wahrnehmen können. Den Abschlussprüfer trifft dann eine Redepflicht, wenn dieser Tatsachen feststellt, die den Bestand des geprüften Unternehmens gefährden oder die die Entwicklung des Unternehmens wesentlich beeinträchtigen können.
Wenn der Abschlussprüfer schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern der Gesellschaft gegen geltendes Recht erkennen kann, wesentliche Schwächen bei der internen Kontrolle des Rechnungslegungsprozesses aufdeckt oder die Voraussetzungen für die Vermutung eines Reorganisationsbedarfs sich feststellen lassen, muss er das ebenfalls mitteilen. Er muss sich dabei an die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft und die Mitglieder des Aufsichtsrates wenden. Bei einer GmbH, bei der keine Aufsichtsratspflicht besteht, ist die Redepflicht nur gegenüber den Geschäftsführern auszuüben. Allerdings hat der Abschlussprüfer in diesem Fall die Gesellschafter in Kenntnis zu setzen, dass eine Situation der Redepflicht gegeben ist.
Der Wirtschaftsprüfer als Bilanzfälscher
Was aber, wenn ein Abschlussprüfer auf Tatsachen stößt, über die er berichten müsste und das trotzdem nicht oder nur unvollständig tut? In diesem Fall macht er sich nicht nur zivilrechtlich haftbar, sondern auch wegen Bilanzfälschung strafbar - dies unabhängig davon, ob aus der Verletzung der Redepflicht jemandem ein tatsächlicher Nachteil entstanden ist. Die strafrechtliche Haftung geht somit über die zivilrechtliche Haftung, die ja stets das Vorliegen eines Schadens erfordert, hinaus.
Durch das Verschweigen strafbarer Handlungen in der geprüften Gesellschaft macht sich der Abschlussprüfer selbst zu einem strafrechtlich relevanten Beitragstäter. Er wird dann - obwohl er selbst womöglich keinen persönlichen Vorteil daraus zieht - zum Komplizen der unmittelbaren Täter und ist wegen Beihilfe zu deren Delikt zu verfolgen. Dabei muss ihm allerdings auch ein Vorsatz nachweisbar sein. Hier reicht es aus, dass der Abschlussprüfer die Straftat in groben Umrissen erkennt und sich dessen ungeachtet entscheidet, diese Straftat dadurch zu unterstützten, dass er sie nicht durch das ihm gebotene Reden unterbindet.
Das bisher im Vordergrund stehende zivilrechtliche Haftungsrisiko war und ist kalkulierbar. Die nunmehr verstärkte Fokussierung auf die strafrechtliche Komponente der Haftung - nicht zuletzt wegen des Anstiegs an Bilanzskandalen - könnte im Verhalten der Prüfer einen Paradigmenwechsel mit sich bringen. Den Schaden trägt möglicherweise die Haftpflichtversicherung, dagegen ist die Strafhaft nicht versicherbar und immer persönlich zu tragen.
Martin Gärtner und Clemens
Jaufer sind Partner einer
Rechtsanwaltskanzlei in Graz.
Ein ausführlicher Beitrag zu dem Thema erscheint auch in der "Steuer- und Wirtschaftskartei" des Linde Verlags.