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Die aufgerüsteten Dschihadisten

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Vom US-Militär hört man Beunruhigendes über den Kampf gegen den IS, während Politiker einen schnellen Sieg versprechen.


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Beim Krieg gegen den "Islamischen Staat" (IS) liegen die düsteren Warnungen des US-Militärs und die schlagfertigen Wahlkampfkommentare der Politiker erschreckend weit auseinander. Die Politiker donnern darauf los, die Terroristen zu besiegen. Über die dazu nötigen Kosten und Opfer sagen sie nicht viel. Die Generäle und Admiräle wissen, dass man nicht so leicht Erfolg hat. Diesen Feind zu besiegen, erfordert ein viel größeres und längeres Engagement der USA, als alle führenden Politiker gewillt sind, zuzugeben.

Mein Besuch im Centcom-Hauptquartier in Tampa, Florida, das alle US-Militäraktivitäten im Nahen Osten überwacht, galt hauptsächlich einer Konferenz des "Center for Naval Analyses". Namen darf ich nicht nennen, aber zusammenfassen, was ich gehört habe.

Beruhigend war es nicht. Einige Beispiele für die Agilität der IS-Kommandanten: Um ihre Schritte zu verbergen, nutzen sie Tunnel und andere Verstecktaktiken. Sie entwickeln Autobomben in Übergröße. Sie packen Sprengstoff in Bulldozer und andere Schwerfahrzeuge und senden diese in Wellen gegen Angriffsziele. Sie setzen kleine Aufklärungsdrohnen ein. Bewaffnete Drohnen sollen in Vorbereitung sein. Und sie verwenden chemische Waffen, Chlor und Senfgas zum Beispiel - künftig wahrscheinlich immer mehr davon.

US-Kommandanten haben erfahren, wie schwierig es ist, eine sunnitische Einheit aufzubauen, die helfen kann, Territorium zurückzuerobern und zu halten. Sunnitische Stammesführer misstrauen den USA. Die Bemühungen der USA, Opfer und Bodentruppen zu vermeiden, verstärken den Eindruck, dass sie eine Strategie der Eindämmung verfolgen, nicht des Siegs.

Eine schmerzhafte Erfahrung ist vor allem das 500-Millionen-Dollar Ausbildungs- und Ausrüstungssprogramm des Pentagon für Syrien. Viele der erwarteten Rekruten kamen erst gar nicht und die anderen wurden auf dem Schlachtfeld übel zugerichtet.

Geeignete Kämpfer zu finden, ist schwierig. Schwierig sind auch die wechselnden und unsteten Verhältnisse in Syrien. Und schwierig ist die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern (wie zum Beispiel der Türkei), die ihre eigenen Agenden haben. Eine zuverlässige Militäreinheit aufzubauen, dauert nicht ein paar Monate, sondern eine Generation lang.

Der Wunsch der USA nach schnellen Ergebnissen führt zu Enttäuschungen. Was Politiker und Öffentlichkeit am wenigsten wahrhaben wollen: Zur Lösung des Konflikts ist jahrzehntelanges Engagement erforderlich. Die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten, die eigenen Truppen zu schützen, kann paradoxerweise selbstzerstörend wirken. Alliierte und Gegner sehen die US-Einheiten in ihren sicheren Lagern extrafein speisen und Gefahren für sich minimieren. Die USA sagen, sie kämpfen an der Seite ihrer Verbündeten, das sieht aber oft anders aus. Tatsächlich mit unseren Partnern im Irak und in Syrien zu leben und zu kämpfen, ist viel gefährlicher.

Der nächste US-Präsident erbt einen sich ausweitenden Krieg gegen einen globalen terroristischen Gegner. Die Diskussion, wie man mit diesem Feind am besten fertig wird, hat nicht einmal noch begonnen.

Übersetzung: Hilde Weiss