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Die Aufteilung Ungarns und die Spätfolgen

Von Thomas Veser

Politik

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Mit dem "Ausgleich" von 1867 schlossen sich die zwei Reichshälften zur k.u.k.- Doppelmonarchie zusammen und gaben sich gemeinsame Institutionen. Im ungarischen Teil lebten damals rund zehn Millionen Menschen, die verschiedenen Völkern angehörten. Als die Doppelmonarchie 1918 zusammengebrochen war, annektierten rumänische Truppen Siebenbürgen, die Regierung der ersten tschechoslowakischen Regierung ließ die zu Ungarn gehörende Slowakei und die Karpato-Ukraine um die Stadt Ungvári besetzen. Teile des heutigen Kroatien, darunter Slawonien, fielen im Friedensvertrag von Trianon 1920 an Serbien, das heutige Burgenland an Österreich. Durch diesen Vertrag, der gezielt auf die Bestrafung der Kriegsverlierer abzielte, schrumpfte das rund 300 000 Quadratkilometer große Ungarn auf weniger ein Drittel seines Territoriums, fast zwei Drittel der ursprünglich 21 Millionen Einwohner lebte von da an außerhalb der Staatsgrenzen.

Ungarischen Intellektuellen liefert diese territoriale "Verstümmelung" vor 83 Jahren bis heute leidenschaftlich diskutierte Diskussionsthemen. Dabei wird gerne übersehen, dass in vielen verlorenen Gebieten Ungarn die Minderheit waren und sich die ungarischen Politiker gegenüber der Bevölkerungsmehrheit phasenweise durch Unduldsamkeit auszeichneten.

Bis heute unterstellen die Nachbarländer, vor allem Rumänien und die Slowakei, den ungarischen Regierungen regelmäßig, dass sie insgeheim nach wie vor Anspruch auf diese Territorien erheben. Als das Budapester Parlament im vorigen Jahr ein Gesetz zur materiellen Begünstigung der außerhalb des Landes lebenden ethnischen Ungarn verabschiedete, brach erneut eine Polemik aus. Die Slowakei, wo etwa eine halbe Million Ungarn leben, reagierte besonders ungehalten und verbat sich jegliche Einmischung. Rumänien, das 1,5 Millionen Ungarn zählt, interpretierte dieses "Statusgesetz", das Magyaren mit rumänischer Staatsbürgerschaft den arbeitsbedingten Aufenthalt in Ungarn erleichtert und damit die Schwarzarbeit eindämmen soll, als diskriminierend, da es sich nicht auch auf rumänischstämmige Saisonniers beziehe. Inzwischen haben sich die Wellen der Erregung wieder geglättet: Nicht ganz ohne Druck Brüssels und der NATO haben Budapest und Bukarest ihre Beziehungen vor kurzem als korrekt bezeichnet. Ungarn steht offiziell ohne Vorbehalte hinter dem rumänischen Wunsch, der EU beizutreten.