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Die Analyse von Tests ist schwierig. Bei Corona gibt es nichts, was es nicht gibt, sagt der Labormediziner Paul Niedetzky.
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Antikörper stehen als Waffe im Kampf gegen das Coronavirus hoch im Kurs. Deshalb wird getestet, was das Zeug hält. Genesene wollen wissen, ob sie noch geschützt sind. Geimpfte wollen wissen, ob sie schon geschützt sind beziehungsweise eine weitere Impfung benötigen. Menschen ohne bisherige Krankheitssymptome wollen wissen, ob sie jemals mit Sars-CoV-2 in Berührung gekommen und damit möglicherweise immun sind gegen das Virus - zumindest eine Zeit lang. So beschreibt der Labormediziner Paul Niedetzky die derzeitige Lage.
Eine genaue Aussage zu treffen, sei schwierig, denn "es gibt noch immer keinen einheitlichen Schwellenwert", der eine exakte Antwort über ein mögliches Schutzkorrelat ermöglichen könnte. Zudem arbeiten die zahlreichen Testhersteller mit unterschiedlichen Referenzbereichen. Der Vergleich mit der besten Freundin oder dem Arbeitskollegen macht also alles andere als einfach.
Der BAU-Wert
Dabei dreht sich alles genau um drei Buchstaben - BAU (Binding Antibody Units). Sie stellen jene Einheit dar, die eine Aussage über die Anzahl der neutralisierenden Antikörper im Blut trifft. Dies sind Antikörper, die sich auf eine ganz besondere Art und Weise an ein Viruspartikel binden und verhindern, dass dieses eine Zelle infiziert. Die entsprechenden Tests erlauben demnach eine Aussage darüber, wer mit dem Virus infiziert war, beziehungsweise durch eine Impfung bereits einen Immunschutz aufgebaut hat. Nicht nachweisbar ist eine akute Infektion, weil der Körper eine Zeit benötigt, während einer Erkrankung Antikörper zu bilden.
Das Nationale Impfgremium sei angesichts der Unsicherheiten bezüglich Referenzbereich derzeit mit den Tests noch zurückhaltend, erklärt Niedetzky. Dennoch wird der Ruf danach immer lauter. Ein großflächiger Einsatz mit eindeutigen Schwellenwerten könnte "ein sinnvolles Instrumentarium von vielen sein, um in der Pandemiesituation einen Beitrag zu leisten. Oder auch gesellschaftspolitisch, um mit Blick auf allfällige Auffrischungsimpfungen Entscheidungen fällen zu können", so der Institutsleiter von myLab in Linz.
Bei einem hohen BAU-Wert - die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nannte 100 BAU/ml als Schwellenwert - sei die Situation eindeutig. "Man kann davon ausgehen, dass ein Schutz besteht." Im niedrigeren Bereich bis hin zu etwa 60 BAU pro Milliliter Blut sei die Interpretation des Tests schon schwieriger - vor allem, ohne die Patientengeschichte zu wissen. Ist jemand geimpft oder nicht geimpft? War eine Person nachgewiesenermaßen infiziert? Welcher Test von welchem Hersteller wurde verwendet? Und auch der Zeitpunkt des Testens sei von Bedeutung. Denn gerade in den ersten Wochen nach der zweiten Impfung würde die Anzahl der Antikörper abfallen. Danach pendeln sich die meisten Geimpften auf ein Niveau ein, bei dem man von einer Schutzwirkung ausgehen kann, so der Experte.
T-Zell-Immunität
Als relevanter ordnet Niedetzky die Messung der T-Zell-Immunität ein. Denn fallen die Antikörper nach einer Covid-19-Infektion ab, heißt das noch lange nicht, dass man weniger geschützt ist. Die T-Zellen gestalten sich wie ein Auffangnetz in der Langzeitimmunität. Während Antikörper das Andocken des Virus an Zellen verhindern, sorgen die T-Zellen - auch Gedächtniszellen genannt - dafür, dass Viruspartikel im Körper zerstört werden und die Bildung neuer Antikörper erfolgen kann.

Auch diese T-Zell-Immunität lässt sich testen. Sind Gedächtniszellen nachweisbar, "dann ist das ein aussagekräftiger Befund", erklärt Niedetzky. Ein positiver Nachweis "geht - auch bei nur geringen Antikörperwerten - mit einem Immunschutz einher". Ein flächendeckender Einsatz ist allerdings unrealistisch. Diese Tests sind sehr aufwendig und teuer. Obwohl die Impfstoffe auch zu T-Zellen-Antworten führen, zielen sie jedoch primär auf die Induktion einer Antikörperantwort ab. Diese Antikörper richten sich dann speziell gegen das Spike-Protein auf der Virusoberfläche. Genesene haben den Vorteil, Sars-CoV-2 als Ganzes präsentiert zu bekommen und damit einen Gesamtschutz aufbauen zu können. Der Immunschutz sei stabiler, betonte zuletzt auch die Innsbrucker Virologin Dorothee von Laer.
Großflächige Antikörpertests, sogar bundesweit, sollen ihr zufolge Abhilfe schaffen, um sowohl Geimpfte als auch Genese gut einordnen zu können und um zu erfahren, wie viele Menschen bereits eine Infektion durchgemacht haben. Ist jemand geimpft, sei es oft schwierig, Aussagen über den Antikörpertiter zu treffen.
Obwohl der Wert hoch ist, kommt es bei manchen Menschen dennoch zu sogenannten Impfdurchbrüchen - wie man sie bei der Delta-Variante sieht, so die Virologin. Eine dezidierte Erklärung dafür gibt es noch nicht. Es wird vermutet, dass vor allem Menschen mit einem schwachen Immunsystem - wie es bei Krebspatienten oder Menschen mit Autoimmunerkrankungen der Fall ist -, aber auch Ältere betroffen sind.
"Bei Corona gibt es nichts, was es nicht gibt", betont Niedetzky. So sei auch zu erkennen, dass viele Geimpfte nach der zweiten Vakzingabe bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 - obwohl sie selbst leichter erkranken - laut PCR-Analyse eine hohe Viruslast mit sich tragen und damit zum "Superspreader" werden.
Der dritte Stich
Für viele Menschen stellt sich mittlerweile die Frage, wann und ob der vielfach empfohlene dritte Stich erfolgen soll. Antikörpertests können auch darüber Auskunft geben. Wo wir wieder beim Schwellenwert wären. Dennoch lässt ein Blutbefund Aufklärung zu, betont der Labormediziner. "Ein Wert von beispielsweise 30 BAU/ml ist nicht viel. Ist das eine Krankenschwester in einem Altenheim, schlage ich vor, eher rasch zum dritten Stich zu schreiten."