Eine ganze Stadt im Zeichen jenes Verkehrsmittels, das seinen Siegeszug im 20. Jahrhundert erlebte und als Symbol der individuellen Mobilität gilt: Das Auto. Im Nordosten Wolfsburgs hat der Volkswagen-Konzern mit der "Autostadt" eine kleine Metropole, einen "Themenpark" im Zeichen der wechselvollen Geschichte und Zukunft des Automobils geschaffen - und unlängst den 10-millionsten Besucher begrüßt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Automobile Erlebniswelt" oder doch eher "Gesamtkunstwerk": Ein mutimediales Zentrum, in dem Architektur, bildende Kunst und Film dem Besucher in einer einzigartigen Symbiose die Welt der motorisierten Fortbewegung präsentiert. Hier dreht sich alles um Mobilität - über das Auto hinaus.
Das Projekt Autostadt, das im Jahre 2000 zeitgleich mit der Weltausstellung EXPO 2000 Hannover eröffnet wurde, sollte eine moderne Lehr- und Lernstätte ebenso werden, wie eine Art überdimensionale Präsentationsfläche, auf der Gäste aus der ganzen Welt einen breitgefächerten Einblick in die "auto-mobile" Entwicklung der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gewinnen können.
Der Volkswagen-Konzern wollte mit der Autostadt sowohl eine neue touristische Attraktion in der Region Wolfsburg schaffen, als auch eine neue konzerneigene Kommunikationsplattform zu etablieren, die den medialen, technischen und wissenschaftlichen Ansprüchen des 21. Jahrhunderts gerecht werden sollte.
In einer Bauzeit von lediglich zwei Jahren entstand auf dem 25 Hektar großen Gelände die "Autostadt". Am Anfang stand eigentlich der Bedraf für ein neues Auslieferungszentrum für VW, in dem der Kunde auch die Möglichkeit hat, die industrielle Produktion kennen zu lernen. Doch die Konzernleitung wollte im Zuge der EXPO 2000 mit der "Autostadt" ein langfristiges Zeichen für automobile Kompetenz zu setzen.
Aus dem Stadtzentrum Wolfsburgs gelangt der Gast über die neu errichtete Stadtbrücke, die den Mittellandkanal überspannt zur großen Empfangshalle, der "Piazza". Dort kann er sich entweder einer Führng anschließen oder seine eigene, individuelle Auswahl der vielen Attraktionen treffen.
Die Entstehung eines Fahrzeuges - nach Kriterien der Qualität, Sicherheit, der sozialen Kompetenz sowie des Umweltbewusstseins - ist auf einer virtuellen Reise durch einen Simulator ebenso erlebbar, wie im sogenannten "AutoLab", wo dem Laien die komplexen Vorgänge der Erprobung, Fertigung und Qualitätssicherung näher gebracht werden. Der Betrachter erlebt hier den Werdegang eines Fahrzeuges von den ersten Entwürfen im Designstudio, übbis zu den Testimpressionen der ersten Vorserienmodelle.
Die Gäste haben die Wahlmöglichkeit sich entweder aktiv mit den Exponaten zu beschäftigen, oder mittels Computersimulatoren interaktive Erfahrungen mit diesem faszinierendem Thema zu sammeln. Selbstverständlich werden bezüglich der Auto- und im besonderen der Motorenentwicklung auch die ökologischen Aspekte berücksichtigt und dem Besucher nähergebracht: Im "SunFuel-Lab" besteht etwa die Möglichkeit, Samen für eine eigene Pflanze auszusäen, aus deren Öl später umweltfreundlicher Treibstoff gewonnen wird.
Sieben Pavillons der Töchter
In sieben eigenständigen Pavillons präsentieren sich die VW-Konzerntöchter: Im Audi-Pavillon etwa wird die chronologische Geschichte der Autos mit den vier Ringen auf dem Kühlergrill und deren Zukunftsperspektiven vermittelt.
Ganz anders wieder die Darstellung der Nobelmarke Bentley. Der aus Glas und grünem Marmor errichtete Pavillon wird für den Besucher zu einem Fest der Sinne: Dort kann man all die erlesenen Materialien, wie Edelhölzer und feinstes Leder, aus denen die Innenausstattung dieses Luxusgefährtes hergestellt wird, berühren und riechen. Der architektonische Mittelpunkt dieser Baulichkeit ist zweifellos die 13 Meter hohe Installation, deren Mittelpunkt aus einem spiralförmigen Abgang besteht, der um eine acht Meter hohe Skulptur führt - die Kurbelwelle eines 16-Zylinder Bentley-Motors.
Die pure Kraft eines der rassigsten Sportwagen der Gegenwart, des Lamborghini, spürt der Gast erst so richtig, wenn er den schwarzen Kubus betritt, in dem ihn ein Gitter vor dem "wilden Tier" auf vier Rädern schützt - immer lauter werdende Schläge eines Stierherzens gehen langsam in das grollende Donnern eines 12-Zylinder-Motors über.
Spanisches Lebens- und Designbgefühl wird im Seat-Pavillon spürbar, vor allem beim Blick auf die zukünftgen Projekte der innovativen Marke.
Skoda wiederum ist der drittälteste Automobilhersteller der Welt, der als erfolgreiche VW-Tochter zu neuem Leben erwacht ist. In die Präsentationsgestaltung der Schöpfungen aus Mládá Boleslav (Jungbunzlau) ließen die Künstler poetische, ja mystischen Aspekte der böhmischen Landschaft einfließen Die Besucher begehen eine Kuppel als Mittelpunkt einer Raumgestaltung, in der durch Brücken und Schleusen der Weg in eine neue Zeit vermittelt werden soll.
Sehr eindrucksvoll gestaltet sich auch das Erlebnis jener 18 Meter breiten Kugel im Volkswagen-Pavillon, einem dreidimensionalen Amphitheater, das ein mit neuester audiovisueller Technik ausgerüstetes 360-Grad-Kino beherbergt, in dem man sich auf eine Reise in Design- und Technikvisionen begeben kann.
Seit im Jahre 1949 der erste Volkswagen-Bus, den man später liebevoll "Bulli" taufte, in Wolfsburg von Band rollte, hat sich VW auch auf dem Nutzfahrzeugsektor eine gewichtige Position erobert. Aus diesem Grund zeugt ein eigener Ausstellungsbereich von den Errungenschaften der Volkswagen-Transporter, die nicht nur über Jahrzehnte für gewerbliche Zwecke, sondern bis auch als Freizeit- und Reisemobile beliebt sind.
Die Liebhaber alter Autos haben im so genannten "ZeitHaus" die Gelegenheit mit mehr als 100 detailgetreu restaurierten Oldtimern eine Reise in die vergangenen Jahrzehnte der Automobilgeschichte zu unternehmen. Jede Marke des Volkswagen-Konzerns hat ihre eigenständige Geschichte - bei der ebenso an heute nicht mehr existente Fahrzeughersteller gedacht wurde, wie beispielweise an die Marken der Auto Union, in der Horch, Audi, DKW und Wanderer vereint waren, oder NSU, die 1969 mit Audi fusionierte.
Laurin&Clement war in den Jahren vor und nach dem 1. Weltkrieg einer der der wichtigste Autoerzeuger in Böhmen und Mähren - ehe sich das Unternehmen 1925 mit den Skoda-Werken zusammenschloss. Den beiden genialen Konstrukteuren, die 1895 ihr erstes Fahrrad bauten, wird ebenso gebührend Raum gewidmet, wie einem der wohl berühmtesten Fahrzeuge am Beginn der unaufhaltsamen Erfolgsgeschichte des Automobils, dem von Carl Benz gebaute Dreirad, mit dem erstmals ein Mensch ohne eigene Muskelkraft oder Pferde unterwegs sein konnte.
60 Jahre VW-Geschichte
Die Geschichte von Volkswagen selbst, heute der größte europäische und einer der größten Fahrzeughersteller der Welt, fing in den Trümmern des Jahres 1945 unter der Kontrolle der britischen Besatzungsmacht sehr bescheiden an. Der VW-Käfer, der 7 Jahre vorher als "KdF-Wagen" der zukünftige Mobilitätsträger aller Deutschen angekündigt war, lief unter britischer Kontrolle vom Band, obwohl der Chefkonstrukteur von Bristol Motors und Mitglied der "Roots-Commission", Sir Roy Fedden, der über die Zukunft des Volkswagenwerkes mitzuentscheiden hatte, die Konstruktion des Käfers negativ beurteilte und von einer Produktion abriet. Sir Fedden hätte wahrscheinlich in seinen kühnsten Träumen nicht daran gedacht, dass aus jenem Werk, in dem einst die rundlichen Kleinwagen mit Boxermotor und Heckantrieb hergestellt wurden, ein Großkonzern werden sollte, in dessen Museum heute auch eines seiner privaten Autos, ein Bentley 3,5 Liter, ausgestellt ist - weil seit ein paar Jahren auch die britische Nobelmarke zum VW-Konzern gehört.
Nach wie vor holen viele VW-Kunden ihren neuen Golf oder Passat persönlich in der Autostadt ab. Und da gibt es dann Geschichten zu erzählen, wie diese: Ein Mann und eine Frau, die sich seit der gemeinsamen Schulzeit 15 Jahre nicht gesehen haben, treffen einander zufällig im Kundencenter, um ihr jeweiliges Auto zu übernehmen. Sie lassen die vergangenen Jahre Revue passieren, entdecken beim Plaudern in ihren Lebensgeschichten sympathische Gemeinsamkeiten. Einige Zeit später erhält die Leitung der Autostadt einen Brief, in dem sich das Paar für die persönliche Übergabe ihrer Fahrzeuge bedankt und den Termin für seine Hochzeit bekannt gibt. Ob sie dann eines der Autos weiter verkauft haben?
Oder diese: Während ein Vater mit seinem kleinen Sohn den großen Geländewagen VW-Touareg bestaunt, läuft der Kleine plötzlich an die Rückseite des Wagens, öffnet die Heckklappe, steigt hinein, legt sich nieder und erklärt seinem Papa begeistert: "Hier bleibe ich!"
Die Autostadt zeigt, dass Mobilität nicht nur mit Autos zu tun hat, sondern auch mit Ideen, Kultur und Spaß am Lernen. Ganzjährig bietet sie ein umfangreiches Programm mit unterschiedlichen Interessenschwerpunkten: Saisonale Veranstaltungen wie "WinterWelt" oder "Summer in the City" bieten spannende oder erholsame Freizeitmöglichkeiten von der Rodelbahn bis zur Schifffahrt auf dem Mittellandkanal.
Dass auch der Tanz als uralte menschliche Ausdrucksform zur Idee der Mobilität zählt, zeigt das Internationale TanzFestival Movimentos, das die Autostadt heuer im Mai bereits zum dritten Mal veranstaltet. Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen, Workshops, Theater- und Kinoaufführungen gibt es ganzjährig, ebenso wie Clubevents und eine Vielzahl von Angeboten für Kinder und Jugendliche. Da kann es schon einmal geschehen, dass ein Kind seine Eltern in eines der Autostadt-Restaurants zum Schlemmen schickt und inzwischen lieber spielerisch etwas über Technik und Physik lernt, oder seinen Kinder-Führerschein mit einem Mini-New Beetle im Lernpark macht.
Infos: www.Autostadt.de