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Die Bakterien-Invasion

Von Samuel Zettinig

Wissen
Viele Bakterien sind Auslöser von Krankheiten.
© stockadobe/Kateryna_Kon

90 Jahre nach der Erfindung des Antibiotikums wächst die Zahl der resistenten Bakterien rasant.


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Melbourne/Wien. In Krankenhäusern, auf Türklinken und im menschlichen Darm: Bakterien sind überall. Nicht alle sind gutartig, viele sind gefährliche Krankheitserreger. Vor 90 Jahren wurde das erste Antibiotikum entdeckt, mit dem der für lange Zeit erfolgreiche Kampf gegen schädliche Bakterien eingeläutet wurde. Doch die Menschheit muss sich zunehmend den Krankheitserregern geschlagen geben, denn immer mehr Bakterien sind gegen Antibiotika widerstandsfähig.

Erst kürzlich haben australische Wissenschafter von der Universität Melbourne einen Erreger entdeckt, gegen den alle bekannten Substanzen machtlos sind. Der Superkeim ist hoch gefährlich, denn er könne zu schwerwiegenden Infektionen und im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen. Als besonders großes Verbreitungsgebiet gelten Spitäler: In 78 Krankenhäusern aus zehn Ländern - auch in Europa - konnten die Forscher das Bakterium mit dem Namen Staphylococcus epidermidis nachweisen.

Antibiotika härten Keime ab

Laut Studienleiter Ben Howden sei der Erreger besonders schwer auszurotten, denn mehrere Stämme hätten ihre DNA leicht verändert und sind damit unter anderem gegen zwei der am häufigsten verwendeten Antibiotika widerstandsfähig. Diese beiden Substanzen werden meist zusammen eingesetzt, um solche bestehenden Resistenzen zu umgehen. Eine Strategie, die im Falle dieses Superkeimes allerdings nicht mehr funktioniert. Gefährdet seien den australischen Wissenschaftern zufolge vor allem Patienten auf Intensivstationen, wo Antibiotika besonders häufig verabreicht werden. Der übermäßige Einsatz kann allerdings zu neuen und immer stärker resistenten Bakterienstämmen führen.

Tiere oder Pflanzen brauchen Jahrtausende dafür, Bakterien passen sich wegen ihrer kurzen Lebenszeit hingegen sehr schnell an neue Umweltbedingungen und Veränderungen an. Durch zufällige Mutationen im Genmaterial werden manche dieser Krankheitserreger immun und überleben die Wirkung des Medikaments. Wenn ein Antibiotikum also zu oft eingesetzt wird, können sich die Bakterien schneller anpassen. Das passiert auch, wenn die Arzneien zu kurz verwendet oder eingenommen werden, obwohl es nicht notwendig wäre.

So entstandene Resistenzen haben drastische Folgen. 700.000 Menschen sterben pro Jahr weltweit an Infektionen, gegen die Antibiotika nicht mehr wirken. Das schätzen Wissenschafter vom Mahidol Oxford Research Centre und des Infectious Diseases Data Observatory. Die Zahl der Toten könnte künftig auf zehn Millionen pro Jahr steigen, sollten Antibiotikaresistenzen nicht erfolgreich bekämpft werden können. Auch die EU ist betroffen, denn hier sterben laut Expertenschätzungen 25.000 Menschen im Jahr an solchen Bakterienstämmen.

Lösung des Resistenz-Problems

Ein Weg, das Problem zu lösen, ist die Einschränkung des Antibiotika-Gebrauchs. Ende Juni hat daher der Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments einen EU-Aktionsplan beschlossen, um gegen resistente Bakterien vorzugehen. Richtlinien für die bedachte und geringere Verwendung dieser Substanzen in der Humanmedizin sollen entwickelt werden. Denn oft verschreiben Ärzte Antibiotika oder Patienten verlangen diese, obwohl sie nicht benötigt werden. Zusätzlich fordern die EU-Parlamentarier auch in der Landwirtschaft eine geringere Antibiotika-Nutzung. Dort werden die Medikamente in großen Mengen eingesetzt, wodurch sich Bakterien an Antibiotika gewöhnen können.

Marc Sprenger von der Weltgesundheitsorganisation WHO zeichnet ein düsteres Bild, sollte das Problem nicht behoben werden: "Es könnten in Zukunft Menschen wieder an Blaseninfektionen oder Lungenentzündungen sterben, weil die Medikamente nicht mehr wirken."