)
6500 Senioren urlauben mit dem Pensionistenverband. | Trotz Bawag-Krise steht man hier hinter der SPÖ. | Albena. Alle Senioren, die derzeit mit dem SPÖ-nahen Pensionistenverband in Albena an der Schwarzmeerküste Urlaub machen, haben am 1. Mai noch vor dem Frühstück eine rote Nelke überreicht bekommen. So weit weg von zu Hause, kann man den Tag der Arbeit aber auch mitunter vergessen. "Der Tag der Arbeit ist doch erst im Mai", meinte etwa eine Dame, als sie die Nelke in die Hand bekam. "Am ersten Mai schickt man Esel ums Heu", kommentierte eine andere Frau die Aktion. "Aber wenn man zu Hause schon nicht marschieren kann", ist die Freude über diese kleine Geste bei den meisten doch groß. Schließlich ist es mit der roten Bewegung derzeit nicht unbedingt zum besten bestellt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Es ist unerhört, dass eine Bank in der Lage ist, so viel Geld in den Sand zu setzen, aber den kleinen Kunden können sie nicht mehr Zinsen geben", empört sich Lucia S. aus Penzing über den sich immer mehr ausweitenden ÖGB-Skandal. Sie ist eine von rund 6500 Pensionisten, die eine Woche beim Frühjahrstreffen des österreichischen Pensionistenverbandes im bulgarischen Albena verbracht hat. Der SPÖ-nahe Verband hat mit rund 380.000 Personen mehr Mitglieder als einzelne ÖGB-Fraktionen und repräsentiert quasi die Basis der Partei. Und mit "Seniorenreisen" bietet der Pensionistenverband günstige und vor allem den Bedürfnissen von Senioren angepasste Reisen an.
Die Treue zur Partei
Nora B. hat ihr Bawag-Konto bereits aufgelöst, aber nicht, wie sie sagt, weil sie Angst davor hat, dass die Bank zusperren könnte, sondern weil sie zu wenig Zinsen beim Gruppenkonto bekommen hat. Bei der Verkehrskreditbank bekomme sie ebenso wie bei der Bank Austria-Creditanstalt bessere Konditionen. "Die anderen Banken bohren jetzt in den offenen Wunden der Bawag und versuchen aus dem Skandal ein Geschäft zu machen", kritisiert wiederum Liselotte B. Aber die SPÖ kann sich auf ihre "Basis" verlassen: An Gewerkschafts- oder Parteiaustritte denkt hier niemand. "Die Menschen treten ja auch nicht gleich alle aus der Kirche aus, obwohl es dort viele schwarze Schafe gibt - denn schwarze Schafe gibt es überall", sind die Damen aus der Penzinger Gruppe überzeugt. Und auf die Wahlen werde sich die ganze Affäre kaum auswirken - "zumindestens, was die Stammwähler betrifft, denn denen geht es um die Gesinnung", ist sich Karoline N. sicher.
Zu jung, um alt zu sein
Auch Franz L. aus der burgenländischen Reisegruppe, 40 Jahre lang treues Gewerkschaftsmitglied, würde aus dem ÖGB nicht austreten. "Man muss in guten und in schlechten Zeiten zusammenhalten", meint er. "Das mit der Bawag ist nur ein Wahlschlager", glaubt seine Frau Herta. Trotzdem sei es aber eine "Schweinerei", dass nur so wenige Leute im ÖGB von der Sache gewusst haben. Dass die zuletzt handelnden Personen im ÖGB vergessen haben, wozu eine Gewerkschaft da ist, davon ist Josef L., ebenfalls aus dem Burgenland, überzeugt. Aber wie auch die anderen sieht er keine Veranlassung, aus der Gewerkschaft oder der Partei auszutreten. Auch sein Bawag-Konto will er behalten und seine sozialdemokratische Gesinnung wird er bei der Wahl wegen der ganzen Geschichte nicht aufgeben wollen. "Wir wählen im Herbst nicht den Bawag-Vorstand, sondern den Nationalrat", betonte auch der Präsident des Pensionistenverbandes, Karl Blecha bei der offiziellen Begrüßung der "Pensis" in Albena. Blecha versuchte die Bawag-Kunden unter den anwesenden Senioren zu beruhigen und gab sich hinsichtlich der bevorstehenden Wahl als Interessensvertreter der älteren Generation betont schwungvoll: "Wir sind zu jung, um alt zu sein, wir sind keine Gruftis und Kompostis und wir zeigen der Jugend noch immer, wie´s geht - auch wenn´s uns jetzt den Führerschein wegnehmen wollen". Dennoch hob Blecha später gegenüber der "Wiener Zeitung" die Autonomie des Pensionistenverbandes hervor, "denn wenn dieser sich auf den roten Teil beschränken würde, dann hätte er ein Drittel weniger an Mitgliedern", so Blecha.