Spaniens Konservative haben nach der Wahl des gemäßigten Nationalisten Juan José Ibarretxe zum neuen Regierungschef des Baskenlandes Alarm geschlagen. "Die baskische Regierung befindet sich in | der Hand der Separatistenorganisation ETA. Sie steht unter dem Diktat einer Terroristenbande", schrieb "La Razon" kürzlich völlig aufgebracht.
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Zum ersten Mal in der Geschichte erhiet die autonome Region in Nordspanien vor Jahreswechsel eine Regierung, die auf die Unterstützung des ETA-nahen Wahlbündnisses Euskal Herritarrok (EH/Baskische
Bürger) angewiesen ist. Der 41jährige Ibarretxe war am 29. Dezember · gut zwei Monate nach den baskischen Wahlen · vom Regionalparlament in Vitoria zum neuen "Lehendakari" (Regierungschef) gewählt
worden. Er steht einer Minderheitsregierung der gemäßigt nationalistischen Parteien PNV (Baskisch-Nationalistische Partei) und EA (Baskische Solidarität) vor, die auf die Stimmen der EH und damit der
Herri Batasuna (HB/Volksunion), den politischen Arm der ETA, angewiesen ist.
Der neue baskische Regierungschef, ein auf Ausgleich bedachter Mann, steht vor einem ungemein schwierigen Balanceakt. Die EH stimmte für ihn unter der Bedingung, daß das Baskenland unter der neuen
Regierung zu Madrid stärker auf Distanz geht. Hält Ibarretxe an der gemäßigten Linie seines Vorgängers José Antonio Ardanza fest, läuft er Gefahr, die Unterstützung der EH und damit die Mehrheit im
Parlament zu verlieren. Kommt er dagegen dem Verlangen der Separatisten nach, gerät er in Konflikt mit der spanischen Zentralregierung. Zudem riskierte er damit eine Spaltung der baskischen
Gesellschaft. Von den 2,1 Millionen Basken ist nach Umfragen mehr als die Hälfte gegen die Gründung eines unabhängigen baskischen Staates, wie dies die ETA und ihre Verbündeten fordern.
Die neue Konstellation im Baskenland hat aber auch positive Seiten. Seit mehr als drei Monaten hält die ETA, die bei ihren Attentaten seit 1968 mehr als 800 Menschen getötet hat, einen Gewaltverzicht
ein. Es besteht die Hoffnung, daß die Region am Anfang eines Friedensprozesses steht. Die ETA-nahe Allianz EH versprach, die demokratischen Spielregeln zu achten.
"Dies ist ein beträchtlicher Schritt für eine Gruppierung, die vor ein paar Monaten noch den Straßenkampf propagiert und politische Gegner mit Drohungen eingeschüchtert hatte", schreibt das Blatt
"El Mundo". "Durch die Straßen des Baskenlands hallen keine Schüsse mehr. Das Verlangen der Bevölkerung nach Frieden ist so groß, daß auch die ETA dies kaum ignorieren kann." Allerdings
verurteilte die EH bisher die Gewalt nicht ausdrücklich und die ETA legte die Waffen nicht definitiv nieder. dpa